KAPITEL
Not My President

„Know your place“

Bei Trumps Wahlsieg waren die Stimmen der sogenannten ‚Angry White Men‘ ausschlaggebend. Sie wünschen sich das gute alte (weiße) Amerika zurück, doch die Zeit verläuft nicht rückwärts und die Proteste gegen Amerikas neuen Präsidenten sind groß.

Niemand wollte es für möglich halten, aber nun ist es wirklich dazu gekommen. Donald Trump soll der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein. Ein Mann, der sich während des Wahlkampfes Skandale geleistet hat wie kein anderer: Er beleidigte Latinos, Musilme, Frauen, Veteranen. Er kuschelte virtuell mit den Despoten der Welt, rief zu Kriegsverbrechen auf und leistete sich ganz nebenbei noch einen Sexismusskandal. Und trotzdem wurde er ins höchste Amt des Staates gewählt. Die Erklärungsversuche, wie es dazu kommen konnte, sind vielfältig.

Manche verweisen auf die Schwäche und Unliebsamkeit Hillary Clintons, andere auf den Sexismus des amerikanischen Volkes. Martin Schulz, Präsident des Europaparlaments, zeigt die kleinräumigen Auswirkungen der Globalisierung auf und Ingo Zamperoni spricht vom Klassenkampf der kleinen Leute gegen die Eliten. Fakt ist jedoch, dass Trump vor allem mit zweierlei Themen punkten konnte, nämlich einerseits dem Narrativ, dass früher alles besser war und – damit verbunden – seiner Anbiederung an die zurückgehaltene weiße Bevölkerung.

Er hat seinen Wählern klar gemacht, dass es unter den Menschen eine Hierarchie gibt. Dass manche Lebensformen eben mehr wert seien als andere. Dass es ganz in Ordnung und natürlich sei, dass bestimmte Machtverhältnisse herrschen und zwar zwischen Hautfarben, kulturellen Hintergründen und, ja, auch zwischen den Geschlechtern. Mit dieser „know your place“-Rhetorik erreicht er genau die, denen das vermeintlich festgeschriebene Machtgefüge dient. Nämlich einerseits, die gut gebildeten Besserverdiener, die Angst vor dem sozialen Abstieg haben, und die vielzitierten „Angry White Men“, die verärgerten weißen Männer, die der Strukturwandel abgehängt zurückgelassen hat.

In diesem „know your place“ manifestiert sich die Anspruchshaltung einer älteren Generation. Sie stammt aus einer Zeit, bevor die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung und die Frauenrechtsbewegung erste Früchte trugen, aus einer Zeit, als die Auswirkungen der Globalisierung noch nicht spürbar waren. Damals konnte sich noch als etwas Besseres fühlen wer weiß war und zufällig einen Penis hatte. Diskriminierung von Frauen und People of color, von Homosexuellen und Transgendern war salonfähig und an der Tagesordnung. Christlich und weiß war die Leitkultur. Dass diese Zeiten zum Glück vorbei sind, wissen wir längst, dass es in den USA sehr viele Menschen gibt, die sie sich zurück wünschen, wissen wir spätestens seit gestern Morgen.

Trump hat mit seinem Wahlkampf offensichtlich einer ganzen Riege dieser Rückwärtsgewandten zugepredigt, die es nicht aushalten, dass die Kinder von unregistrierten Gastarbeitern es mittlerweile auf die besten Colleges schaffen, dass Homosexuelle in allen Bundesstaaten heiraten dürfen, dass gut ausgebildete junge Frauen beruflich an ihnen vorbeiziehen und dass ein Afroamerikaner Präsident geworden ist. Für die ‚Angry White Men‘ – und leider auch für viele ‚Angry White Women‘ – wandelt sich die Welt zu schnell und verweist nun gerade sie auf ihre Plätze. Der Wahlausgang hat daher viel mit verletztem Stolz und mangelndem Selbstwert zu tun. Traurig ist dies auch, weil Trump entgegen seiner Versprechen, seinen Wählern und Wählerinnen nicht geben können wird, was sie von ihm erwarten. Denn der gesellschaftliche Wandel ist nicht umkehrbar, Zeit verläuft nun mal nicht rückwärts. Und so werden sie ein weiteres Mal, gelinde gesagt, eine Enttäuschung erfahren.

Hillary Clinton hätte, trotz allem was man ihr vorwirft, das Gesicht einer neuen Politik sein können: emanzipiert, inklusiv, multikulturell, liberal. Die USA haben ihre Chance leider vertan.

Text: Mae Becker Foto: dpa