KAPITEL
Womens March Croud

Angriff auf die Selbstbestimmtheit

Die vergangenen Wochen waren (nicht nur) für Feminist*innen kontrastreich: Mit den Women’s Marches in verschiedenen Städten fand ein unvergleichliches Großereignis statt und brachte Hoffnung. Mit der Re-Etablierung der Mexico City Policy kam kurz darauf eine niederschmetternde Nachricht für Frauen weltweit.

Ich wohnte vor einiger Zeit in Südamerika mit zwei jungen Frauen in einer WG. Und wunderte mich, als Gabriela* einen dicken Strauß an Kräutern in ihrem Zimmer hortete. Besonders naturverbunden schien sie mir bis dahin nicht. Ihren Freund hingegen hatten wir schon länger nicht mehr gesehen, sie beantwortete die Nachfrage aufgebracht: Der hätte sie enttäuscht, hätte sie im Stich gelassen. Wobei? Dazu wollte sie nichts sagen. Eines Tages waren die Kräuter weg, und Gabriela auch. Die andere Mitbewohnerin, Carolina*, versuchte sie, zu erreichen, schließlich kam die Antwort: Gabriela lag mit starken Blutungen im Krankenhaus.

An diese Geschichte denke ich häufiger insbesondere nach diesen geschichtsträchtigen letzten Wochen. Der Women’s March vom 21. Januar war einer der größten Proteste in der Geschichte der USA. Allein in Washington versammelten sich über einer halben Million Teilnehmer*innen, bei Schwesternveranstaltungen weltweit protestierten mehrere Millionen Teilnehmer*innen für Frauenrechte. Dann kam der Gegenschlag.

Trump verabschiedete ein auch als Mexico City Policy bekannte Gesetz, das besagt, dass Hilfsorganisationen, die Beratungen zu Schwangerschaftsabbrüchen anbieten oder sich für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in ihrem Land einsetzen, keine US-Gelder bekommen. Das Gesetz wurde immer wieder abgeschafft, je nachdem, wer gerade an der Macht war. Zuletzt hatte es der Demokrat Obama abgeschafft, nun reaktiviert Republikaner Trump es wieder.

Das heißt: Nicht nur internationalen Abtreibungskliniken werden die Gelder gestrichen, sondern allen Organisationen, die Beratung zu Schwangerschaftsabbrüchen anbieten. Die Regelung betrifft auch die US-Organisation Planned Parenthood, die sowohl in den USA als auch in vielen anderen Ländern über Verhütung, Familienplanung und eben auch Abtreibungen informiert. Da die Kliniken aber natürlich noch mehr im Angebot haben als das, nämlich beispielsweise Geschlechtskrankheiten-Tests oder die Ausgabe von Verhütungsmitteln, wird ihre Arbeit auch in anderen Bereichen erheblich erschwert. Manche vermuten deshalb, dass die Zahl an Krankheiten und ungewollten Schwangerschaften deshalb in vielen Regionen erheblich steigen wird. Und damit der Griff zur Selbstmedikation und der Gang zu Quacksalbern.

Das Foto von der Unterzeichnung des Gesetzes strotzt vor Symbolkraft: Sechs Männer schauen Trump über die Schulter, während er ein Gesetz unterschreibt, das die Selbstbestimmung von Frauen einschränkt. Eine gephotoshoppte Parodie ging um die Welt, auf der Hillary Clinton umringt von Frauen ein Gesetz zum Ejakulationsverbot unterschreibt. Es verdeutlicht die Absurdität des Geschehens, nicht aber seine Tragik. Denn es gibt einfach kein männliches Pendant zur Verwehrung des Zugangs zu sicheren Abtreibungen.

„If you left an IUD on the president’s desk, he’d probably assume it was a tiny little pen made especially for him“ – also: Wenn man eine Spirale auf Trumps Schreibtisch liegen lassen würde, würde er wahrscheinlich davon ausgehen, es wäre ein winziger Stift nur für ihn –, schreibt Rhiannon Lucy Cosslett  im Guardian – natürlich unter Verweis auf den Running Gag, Trump hätte winzige Hände. Der US-Präsident wird gern als ignorant und planlos dargestellt – aber ist er das wirklich? Die Auswirkungen von Abtreibungsverboten sind ihm zynischerweise durchaus bewusst: “Well, you know, you’ll go back to a position like they had where people will perhaps go to illegal places,” sagte er vergangenes Jahr in einem Interview. Was dabei passieren kann, habe ich ja bei meinem mehrmonatigen Aufenthalt in Südamerika mitbekommen. Es lässt mich die Fatalität von Trumps Gesetz erahnen.

Meine Mitbewohnerin Carolina war sich sicher: „Das war eine missglückte Abtreibung. Hast du die Kräuter gesehen? Die sind für einen Abtreibungstee. Gabriela meinte, die wären für ihre Cousine. Doch die war schon ewig nicht mehr hier.“ Carolina erkannte sich selbst in der einige Jahre jüngeren Gabriela, denn auch sie hatte eine illegale Abtreibung vornehmen lassen – allerdings mit mehr Geld zur Verfügung. “Der Vater meines damaligen Freundes hat es in bar bezahlt. Ich ging in eine richtige Klinik, zu einem richtigen Arzt, der das unter der Hand machte. Es war komplikationslos. Nur eben teuer.“

Was lernen wir daraus? Was illegale Abtreibungen kosten: Entweder viel Geld, wenn man welches hat, ansonsten die Gesundheit oder möglicherweise sogar das Leben.

Meine damalige Mitbewohnerin erholte sich zum Glück gut. Ob sich die Welt auch gut von Trump erholen wird? Er hat noch mindestens vier Jahre Zeit, sie zu ruinieren. Was uns bleibt, ist die Möglichkeit, konstant Stellung zu beziehen und konstant aktivistisch zu sein. Die Organisator*innen des Women’s March haben sich 10 Actions in 100 Days vorgenommen. Eine weitere Liste, wie man nach den Demonstrationen nun fortfahren kann, findet sich auf diesem Blog.

 

Text: Rena Föhr Foto: Toi Powell