KAPITEL
We Were Here 05 Press

Welt-Aids-Tag: Filme gegen das Vergessen

Vor 35 Jahren forderte der HI-Virus seine ersten Opfer in der Gay Community in New York City und San Francisco. Es war die Geburtsstunde von viel Leid, aber auch von einer neuen Form der Solidarität. Folgende Filmklassiker empfiehlt LIBERTINE gegen das Vergessen.

Vor 35 Jahren traten die ersten Fälle der seltsamen Immunschwäche auf, mit der man so lang unbemerkt infiziert sein und dadurch so leicht andere anstecken konnte. Als man feststellte, dass es sich um eine tödlich verlaufende Krankheit handelte, war es für viele der Betroffenen leider schon zu spät. Ihre Immunsysteme waren zusammengebrochen, ein einfacher Schnupfen konnte ein Todesurteil sein.

Die frühen Stunden der Epidemie waren dramatisch: Keiner wusste, wie die Krankheit eingeordnet werden konnte, geschweige denn wie sie übertragen wurde. Als herauskam, dass die Krankheit vor allem unter homosexuellen Männern verbreitet war, sahen viele überzeugte Christen in diesem „Schwulenkrebs“ eine „Strafe Gottes“ – unter ihnen übrigens auch der US-Präsident Ronald Reagan. Stigmatisierung und soziale Isolation von Betroffenen waren an der Tagesordnung. Forschungs- und Spendengelder blieben gemessen an Opferzahl und Dringlichkeit unverhältnismäßig gering und reichten bei weitem nicht aus, um der Aids-Epidemie ein schnelles Ende zu setzen.

Diese schlimmen Jahre haben die homosexuelle Gemeinschaft zugleich geschwächt und auch gestärkt. In den ersten 10 Jahren fielen der Immunkrankheit tausende junge Männer zum Opfer (50.000 allein in New York City). Zugleich bewirkte die Krise aber zweierlei zuvor nie Dagewesenes: Erstens eine ungekannte Solidarität in der Gay Community – man rückte näher zusammen, sammelte Geld, gründete Hilfsorganisationen und Telefon-Hotlines für Betroffene. Man denke nur an die Gay Mens’s Health Crisis (GMHC), ACT UP oder die Deutsche Aids-Hilfe. Zweitens führte sie, so traurig das auch ist, zu einer neuen Sichtbarkeit von Homosexuellen in der Gesellschaft. Wenn der Busfahrer, der Arbeitskollege oder auch der Lieblings-Popstar plötzlich erkrankte, konnten viele Menschen, die zuvor die Existenz von Homosexualität geleugnet hatten, die Augen nicht mehr verschließen. Die Aids-Krise der achtziger Jahre ist damit Teil der homosexuellen Geschichte und eine Stufe hin zu mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz.

Auch heute noch ist Aids, trotz aller Fortschritte in Medizin und Wissenschaft, eine schreckliche Krankheit. Betroffen sind Menschen jeglicher sexuellen Orientierung. Obwohl eine Infektion mit HIV inzwischen kein direktes Todesurteil mehr sein muss, gibt es noch immer kein Heilmittel. Die Industrienationen haben ihr Budget für die Medikamentenforschung im Bereich AIDS in den letzten Jahren drastisch gekürzt, und das obwohl Aids mit über einer Million jährlichen Opfern weltweit noch immer die meisten Menschenleben fordert. Längst nicht alle Infizierten haben Zugang zu Medikamenten. In Deutschland leben rund 84.700 mit HIV oder Aids infizierte Menschen. All das sind Gründe, sich über HIV/Aids zu informieren, sich zu solidarisieren und niemals zu vergessen.

Folgende Filme informieren euch über die Anfänge der Aids-Krise und helfen dabei, zu verstehen, was damals wirklich los war:

Das Drama „The Normal Heart“ (2014) nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Larry Kramer erzählt die Geschichte der beginnenden Aids-Krise in New York City. Mark Ruffalo spielt Ned, eine Figur, die auf Larry Kramer, dem Mitbegründer von GMHC und Autor des Buches „Faggots“, selbst basiert.

Das Gay Capitol San Francisco wurde von der Aids-Epidemie besonders getroffen. Die Dokumentation “We were here” (2011) zeigt wie eine Stadt, die sich über freie Liebe, Flower Power und Selbstbestimmung definiert, mit diesem Schicksalsschlag umgeht.

“How to survive a Plague” (2012) nutzt Original-Filmmaterial der ACT UP-Gruppe aus den achtziger Jahren. Sie versuchten mit spektakulären Aktionen, Demonstrationen und Sitzstreiks Aufmerksamkeit auf das Thema Aids zu ziehen und Politiker zu zwingen, mehr Geld für die Aids-Forschung freizugeben.

Text Mae Becker
Foto Rick Gerharter, „We were here“