KAPITEL
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Lesbische Projekte gesucht!

Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld steht für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt und fördert regelmäßig queere Projekte. Dieses Jahr sollen insbesondere lesbische Initiativen unterstützt werden.

Derzeit hat die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld eine Förderung von Projekten, die auf eine erhöhte Sichtbarkeit und Akzeptanz von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und queeren Personen ausgerichtet sind, ausgeschrieben. Die BMH möchte den Schwerpunkt der Förderung in diesem Jahr insbesondere auf lesbische Projekte legen, wie auch der geschäftsführende Vorstand Jörg Litwinschuh betont: „In den ersten fünf Jahren seit Gründung der Stiftung wurden über 80 Projekte gefördert. Wir erhoffen uns, dass wir 2017 mehr Anträge von Frauen-Lesben-Projekten als bisher erhalten. Wir möchten zu mehr Sichtbarkeit von lesbischen, bisexuellen und Trans*-Frauen bzw. Lebenswelten beitragen“. Die Fördersummen reichen von mehreren hundert Euro bis zu 25.000 Euro. Bis zum 15. April 2017 und daran anschließend bis zum 15.Oktober 2017, können Projektanträge eingereicht werden. Potentiell förderbare Tätigkeitsfelder bilden die historische Auseinandersetzung mit der Verfolgung und Tötung von Lesben im Nationalsozialismus sowie der lesbischen Emanzipationsgeschichte, bildungsbezogene Maßnahmen, die unter anderem durch Workshops, Konzepten und vernetzungsschaffender Arbeit für eine diverse und diskriminierungsfreie Umgebung sorgen und letztlich stellen auch Forschungen geisteswissenschaftlicher und psychologischer Fachausrichtungen, die sich mit lesbischen Themen beschäftigen, eine förderbare Gruppierung dar. Eine sinnvolle Möglichkeit, für alle, die mit innovativen Ideen oder Konzepten für queere Projekte aufwarten können. Mehr Infos sind hier zu finden.

Bundesstiftung Magnus Hirschfeld: Wer ist sie, was macht sie, wofür steht sie ein?

Die in Berlin ansässige Stiftung hat es sich zur Mission gemacht, für die Rechte von LSBTTIQ einzustehen, Forschungen zu geschlechtlicher und sexueller Vielfalt zu unterstützen und auf vergangene sowie aktuelle Repressionen hinzuweisen. Das Selbstverständnis basiert auf einer forschungsbasierten Aufklärungsarbeit: „Gemäß des Leitsatzes unseres Namensgebers Dr. Magnus Hirschfeld „Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit“ soll Wissensvermittlung dazu beitragen, Akzeptanz für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu schaffen“, konstatiert Jörg Liwtinschuh. Die BMH wird vom Bundesministerium für Justiz (BMJ) gefördert. Durch eine Logo BMHBandbreite von Bildungsangeboten und Vernetzungsleistungen, verrichtet sie eine weitreichende Antidiskriminierungsarbeit. Zudem bildet die Aufarbeitung und Forschung der Verfolgung und Kriminalisierung homosexueller Menschen in Deutschland während des Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit einen Schwerpunkt der Stiftungsarbeit. Neben § 175 StGB a.F., der erst 1994 abgeschafft wurde und sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe stellte, waren zusätzlich unter der Führung der Nationalsozialisten laut § 175a StGB sämtliche beischlafähnliche Aktivitäten unter Freiheitsstrafe verboten. Nachdem im Jahre 2000 die Forderung eines LGBTTIQ-Aktionbündnisses nach einer Stiftung zur Wiedergutmachung der NS-Verbrechen an Homosexuellen zunächst am Bundesrat scheiterte, wurde durch den Einsatz der damaligen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) elf Jahre später die Stiftung gegründet, die unter dem Leitmotiv „Forschung, Bildung und Erinnerung“ ihre Arbeit aufnahm.

Magnus Hirschfeld: Wegbereiter der Queer-Theory

Laut Angaben der BMH betrieb Magnus Hirschfeld (1868-1935) durch sein ausgeprägtes Engagement, das was man heute als Diversity Management bezeichnen würde. Als schwuler, jüdischer Intellektueller zählte er unter die verfolgte Zielgruppe der NS-Diktatur. Er kämpfte für die Rechte homosexueller und transsexueller Menschen, forschte zu Komponenten, die neben biologischen Variablen, die Geschlechtsidentität konstituieren und demontierte damit das gesellschaftlich prädominante Geschlechterverständnis, das geschlechtliche und sexuelle Vielfalt im Keim erstickte. Als Begründer der Theorie der „geschlechtlichen Zwischenstufen“ griff er quintessenzielle Ideen der Jahrzehnte später entstehenden Queer-Theory auf. 1933, Hirschfeld lebte inzwischen im französischen Exil, wurde das von ihm gegründete „Institut für Sexualwissenschaft“ dem Erdboden gleichgemacht und das darin enthaltene Archiv im Rahmen der großflächig stattfindenden Bücherverbrennungen vollständig zerstört.

Einsatz für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt: Veranstaltungen, Projekte und Kooperationen

Neben dem Gedenken an Hirschfelds Pionierleistungen und der Aufarbeitung vergangener Verbrechen und Delegitimationen an lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und queeren Menschen, kooperiert die BMH unter anderem mit der Akademie Waldschlösschen. Sie zielt auf eine „Entwicklung und Durchführung von Bildungs-und Qualifizierungsmaßnahmen“ sowie eine „LSBTTIQ-Bildungsvernetzung“ wie etwa durch Workshop- und Schulungsangebote. Damit widmet sich die BMH dem Problem der immer noch ausbleibenden Thematisierung sexueller Vielfalt in deutschen Bildungseinrichtungen. Und auch mit dem Projekt „Fußball für Vielfalt“ engagiert sie sich mit Thomas Hitzelsberger als Botschafter und Trägern wie dem Deutschen Fußballbund für einen von Intoleranz und sexueller Eindimensionalität befreiten Sport und setzte in diesem Kontext mit ihrer Unterschriftenaktion „Berliner Erklärung – Für Vielfalt, Akzeptanz und Respekt im Sport“ ein Zeichen. Aktuell steht nun ein Fachtag zu dem Thema „Familie von morgen – Neue Werte für die Familie(npolitik)“ im Tagungswerk Kreuzberg bevor. Vom 5.-7. April soll, gemeinsam mit anderen Trägern ein Austausch über den Wandel von Familienbildern vor dem Hintergrund von Staat, Gesellschaft und bestehenden Konventionen, stattfinden. Es stehen noch freie Plätze zur Verfügung . Und auch für das kommende Jahr sind weitere interessante Veranstaltungen in Planung, wie Jörg Litwinschuh verrät – so soll beispielsweise ein Fachtag zur lesbischen Sichtbarkeit stattfinden.

Text: Lena Spickermann

Foto: Joanna Catherine Schröder