KAPITEL
Baka Bukas 6

Libertine präsentiert: Go Queer

Zum 28. Mal fallen in Hamburg die Vorhänge für die Lesbisch Schwulen Filmtage – Deutschlands größten und ältesten queeren Filmfestivals. Abseits vom Mainstream und der Heteronorm kommen hier außergewöhnliche Geschichten und Protagonist*innen auf die Leinwand. LIBERTINE hat die besten feministischen und queeren Movies für euch rausgesucht, die teilweise deutschlandweit auch im Programmkino laufen werden.

Eröffnungsfilm
Political Animals (USA)
Sheila Kuehl, Carole Migden, Christine Kehoe und Jackie Goldberg – ein eloquentes, couragiertes und lesbisches Viergespann und in den 90er und 2000er Jahren die Vorreiter*innen des parlamentarischen Kampfes um Gleichberechtigung von LGBT in Kalifornien. Inmitten ihrer konservativen Kollegin*innen erkannten sie schnell, dass es sich nicht lohnt, brav zu sein: „You need to be a bad girl!“ Doch wenngleich die Verhandlungen zäh sind, Abstimmungen immer wieder scheitern und Kommentare mitunter unerträglich sind, zahlen sich die unermüdlichen Bemühungen der vier Frauen aus. Dank einer gehörigen Portion Idealismus und eifriger Streitbarkeit können sie einer sehr persönlichen Angelegenheit mehr und mehr zu gesellschaftspolitischer Relevanz verhelfen. Die preisgekrönte Dokumentation von Jonah Markowitz und Tracy Wares begleitet die Arbeit der Parlamentarierinnen und formt einen komprimierten Rückblick der LGBT-Bewegung bis zur rechtlichen Gleichstellung der Ehe durch den Supreme Court 2015. Vor allem durch die zahlreichen Ausschnitte parlamentarischer Reden bezeugt die Dokumentation die Vehemenz der politischen Arena, die hier den Aktivismus in den Plenarsaal holt.
Regie: Jonah Markowitz, Tracy Wares, Läuft: Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg, 17.10.2017, 19:30 Uhr beginnt Eröffnungsgala, Film im Abschluss, Kampnagel

Princess Cyd (USA)
Cyd kommt nach acht Jahren zurück in ihre Geburtsstadt, um bei ihrer Tante den Sommer zu verbringen. Im Hintergrund schlummert eine Familientragödie, die aber nicht zum Fokus des Films wird. Cyd ist 16, neugierig auf alles. Sie begegnet Kathy, mit der sich eine Sommerromanze anbahnt. Der Film nimmt sich Zeit für die Entwicklung der Beziehung zwischen Cyd und ihrer Tante Miranda, einer Schriftstellerin, und schafft mit ihnen zwei wunderschöne, seltsame, reale Charaktere. In „Princess Cyd“ wird in leisen Tönen das Bild eines diversen liberalen Amerika beschworen. Zentral im Leben Mirandas und ihrer Freund*innen ist Literatur, die Bücher von James Baldwin, Virginia Woolf, James Joyce und vielen anderen. Die Beziehung zwischen Miranda und Cyd kreist vor allem darum, die verschiedenen Sehnsüchte, Vorlieben und Glücksvorstellungen der anderen zu sehen. Die Stärke des Films liegt in der Gestaltung berührender, witziger Szenen und selten hat man solche erfrischenden und tiefen Protagonistinnen auf der Leinwand gesehen.
Regie: Stephen Cone, Läuft: Lesbisch Schwule Filmtage, 21.10.2017, 17:15 Uhr, Passage-Kino

LIBERTINE präsentiert:
Baka Bukas (Philippinen)
Was, wenn man überall out ist, die Mutter einen neckt, dass man Single ist, und die beste Freundin nichts davon ahnt, dass man lesbisch und verliebt in sie ist? Diese Geschichte erzählt der Baka_Bukas_1Debütfilm von Samantha Lee in zarten Pastelltönen und mit jugendlichem Drive.
Alex, eine junge Filmemacherin, die Probleme hat ein lesbisches Drehbuch zu verkaufen, ist in Jess, eine Schauspielerin am Beginn ihrer Karriere, verliebt. Als Jess erfährt, dass die Freundin lesbisch ist, hat sie vor allem Angst, dass sich etwas zwischen ihnen ändert. Sie lässt sich aber auf Alex ein, die auch mit Unsicherheiten konfrontiert ist, denn wenn Liebe im Spiel ist, gibt es was zu verlieren. Die zwei Protagonistinnen, zwischen Coolness und Authentizität, tragen durch den Film. Der will vor allem eins: die glücklichen Seiten zeigen, die es mit sich bringt, lesbisch zu sein. Baka Bukas bedeutet „Vielleicht morgen“ und verweist damit auf die Hoffnung, dass sicher alles gut wird. Beim Cinema One Originals, einem philippinischen Independent Filmfestival, mehrfach ausgezeichnet, versteht er sich als Beitrag zu Repräsentation queerer Community im philippinischen Kino.
Regie: Samantha Lee, Läuft: Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg, 19.10.2017, 20:30 Uhr, Passage-Kino

Bar Bahar (Israel/Frankreich)
Das Nachtleben von Tel Aviv verspricht Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung. Es wird das Ende des Singlelebens einer jungen Frau gefeiert – Zigaretten, Alkohol und Ritalin, ein bisschen zu Bar_Bahar_In_Between2_AlmaCinemaviel, ein bisschen verzweifelt. Wir platzen hinein in das Leben dreier junger palästinensischer Frauen mit israelischem Pass, die sich eine WG teilen. Die eigenen Zimmer ermöglichen ihnen Unabhängigkeit und die gemeinsame Wohnung Zusammenhalt und Stütze. Nour ist gerade erst eingezogen, sie ist verlobt mit einem Seelsorger, der ihr Studium nicht so gern sieht und sie am liebsten zurück zu Hause hätte. Salma schuftet als Küchenhilfe und Barkeeperin, bastelt an ihrer DJ-Karriere, ist lesbisch und soll verheiratet werden. Und Laila raucht zornig und unfassbar sexy eine Zigarette nach der anderen, während sie sich als Anwältin durchbeißt. Alle drei müssen im Laufe der Geschichte schmerzlich erfahren, dass man immer etwas zurücklassen muss, wenn man glücklich sein will – und das für sie viel auf dem Spiel steht, da sie aus einem religiösen patriarchalen familiären Hintergrund kommen, der immer auch Gewalt birgt. Die arabisch-israelische Regisseurin Maysaloun Hamoud bringt mit ihrem Langfilmdebüt einen kraftvollen Einblick in die Alltagserfahrungen der Frauen ihrer Generation auf die Leinwand.
Regie: Maysaloun Hamoud, Läuft: Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg, 20.10.2017, 20:00 Uhr, Passage-Kino

Just Charlie (Mexiko)
Teenager Charlie ist eine herausragende Fußballspielerin, die insbesondere von ihrem Vater in einer möglichen Fußballkarriere unterstützt wird. Als ein Talentsucher auf Charlies Familie Just_Charlie_5_c_MediaLunaund ihr ein gutes Fußballstipendium anbietet, gehen alle Träume ihres Vaters in Erfüllung. Doch Charlie lehnt ab. Das Problem ist, alle sehen in ihr einen Jungen, doch sie weiß, dass sie eigentlich ein Mädchen ist. Es beginnt eine Reise durch Depression, Ausschluss, Verlust und auch Gewalt. Bis sie mit Hilfe ihrer Mutter, Schwester und schließlich auch einiger Freund*innen einen selbstbewussten Weg gehen kann: als Mädchen, das leidenschaftlich Fußball spielt.
„Just Charlie“ ist ein vielschichtiger Coming-of-Age-Film, der zeigt, wie unterschiedlich trans*Biografien aussehen, dass Mädchen eben auch Fußball spielen und nicht jeder Weg eindeutig vorgeebnet ist. Das Besondere an Rebekah Fortunes zutiefst berührenden Debütfilm ist, dass sie sich nicht scheut die Gleichzeitigkeit von Erfahrungen zu zeigen: vielschichtige Gewalterlebnisse in trans*Biografien genauso wie Freundschaft, Solidarität und Liebe.
Regie: Rebekah Fortune, Läuft: Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg, 22.10.2017, 15:15 Uhr, Passage-Kino

Mixed Messages – Die komplette erste Staffel (Deutschland)
„Lasst uns nicht annehmen, dass etwas einfach klar ist.“ Die Ansage einer Bondage-Kursleiterin ist nicht nur an BDSM-Interessierte gerichtet. Vielmehr betont die Aussage die Absurdität der Dating-Erfahrungen, die Ren in Berlin macht. Auf der Suche nach einer Freundin hält die Engländerin es analog. In ihrem Verzicht auf Tinder und Online-Singlebörsen probiert sie vieles aus und trifft diverse Frauen bei Clubbesuchen, Speed-Dating-Runden und Meditationskursen. Sicher geglaubte Annahmen verkehren sich dabei in ihr Gegenteil. Unerwartete Störungen verhindern das Schmieden von unausgesprochenen Plänen. Nichts als Verwirrung bleibt zurück, wenn Ren wieder einmal allein nach Hause geht. Gelingt es ihr, unter diesen Umständen ein Date zu finden?
Mit liebevoller Hingabe an ihre Figuren reflektiert Kanchi Wichmann in den zehn kurzweiligen Episoden ihrer Webserie eigens erlebte Schwierigkeiten beim Versuch, in der Berliner Lesbenszene Kontakt aufzunehmen. Mit ironisch-trockenem Humor überzeichnet sie nur allzu bekannte Klischees und repräsentiert mit ihren Laiendarsteller*innen eine queere Gemeinschaft größter Diversität. „Mixed Messages“ wurde mit einer rein lesbischen Crew umgesetzt.
Regie: Kanchi Wichmann, Läuft: Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg, 20.10.2017, 21:45 Uhr, Passage-Kino

The Revival Movie: Women and the Word (USA)
Am Anfang war das Wort. Beginnend mit dieser Feststellung, begleitet Sekiya Dorsetts inspirierender Dokumentarfilm fünf Women of Colour auf ihrer neuntägigen Revival Poetry Tour durch die The_Revival_Movie_1_WomenMakeMoviesVereinigten Staaten. An die Black-Arts-Bewegung der 70er Jahre anknüpfend, touren die Protagonistinnen unter dem Zeichen ihrer persönlichen Heiligen Dreifaltigkeit: „The poet, the people and the poem“ dabei durch sieben Städte. Bei ihren energiegeladenen Auftritten mischen sie Musik und Poesie, kreieren Räume für Kunst und Widerstand, um ihre persönlichen Geschichten zu erzählen und auf Rassismus, Sexismus und Homophobie aufmerksam zu machen – und um andere zu inspirieren, es ihnen gleichzutun. Die Regisseurin gewährt einen selten gesehenen Einblick in die Auseinandersetzung von Künstlerinnen mit ihren persönlichen Erfahrungen und vielfältigen Einflüssen auf das kreative Schaffen. Aufnahmen von mitreißenden Auftritten und intimen Gesprächen im beengten Tour-Van ergänzt die Filmemacherin mit Interviews mit schwarzen feministischen Vordenkerinnen und Historikerinnen zur Geschichte der Black Female Poetry. Ein im besten Sinne ergreifender Dokumentarfilm über die befreiende Kraft der Worte.
Regie: Sekiya Dorsett, Läuft: Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg, 18.10.2017, 20:00 Uhr, Rote Flora

Gacı Gibi (Türkei)

Deniz ist trans* und arbeitet als Sexarbeiter*in in Mersin, einer kleinen Stadt im Süden der Türkei. Eines Nachts wird sie Opfer eines brachialen Hassverbrechens und schwer verletzt. Sie kann vor den Angreifer*innen fliehen, wird jedoch von einem Auto erfasst und bricht sich kompliziert das Bein. Die Dokumentation von Serkan Çiftçi begleitet Deniz bei ihrer allmählichen Genesung. Mit der Hilfe ihrer Mitbewohner*innen Ece und Berfin lernt sie wieder laufen und nimmt den Kampf gegen Homo- und Trans*phobie zusammen mit der Mersin 7 Renk (7 Colors LGBTIQ* Association) wieder auf. 7 Renk organisiert neben geschützten Treffen für LGBTIQ* auch immer wieder Protestmärsche und Diskussionen, verfasst Pressemitteilungen und solidarisiert sich, um die Sichtbarkeit von LGBTIQ* in der Region zu stärken und dem Hass lauthals entgegenzutreten. Liebevoll verwebt die Dokumentation die LGBTIQ*-Proteste auf den Straßen und in den Hörsälen von Mersin mit dem ganz persönlichen Alltag von Deniz und ihren Freund*innen. Zu sehen, wie unverrückbar und voller Freude ihre Gemeinschaft zusammensteht, ist beeindruckend. Merhaba „Gacı Gibi“, hoşgeldin!
Regie: Serkan Çiftçi, Läuft: Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg, 21.10.2017, 17:30 Uhr, im Metropolis-Kino

 

Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg, 17.-22. Oktober 2017

Neben Diskussionen und Workshops wird auch die legendäre Nachtbar wieder ihre Türen öffnen. In welcher Location sie dieses Mal gastiert, wird kurzfristig unter lsf-hamburg.de bekannt gegeben.