KAPITEL
Foto Susan Hawthorne Copyright Naomi McKescher 400dpi

Mit kultureller Feinkost gegen den kapitalistischen Einheitsbrei

Was haben Unternehmen wie Amazon und Monsanto, globale Landwirtschaft und literarische Landschaft und „50 Shades of Grey“ mit genmanipuliertem Gemüse gemeinsam? Laut der australischen Autorin und Verlegerin Susan Hawthorne eine ganze Menge.

In ihrem Buch „Bibliodiversität“ werden der internationale Buchmarkt und das Verlagswesen aus feministischer Sicht analysiert und die „Monokultur kapitalistischer Großkonzerne“ kritisiert.

Das im innovativen Verbrecher Verlag erschienene „Manifest für unabhängiges Publizieren“ vergleicht Strukturen der literarischen Welt mit Prinzipien der biologischen Umwelt. Das Konzept der Biodiversität – also der Artenvielfalt in der Natur – wird auf die Bücherwelt übertragen und nennt sich dann Bibliodiversität. Ein bibliodiverses Literatursystem besteht aus vielen verschiedenen Arten von Büchern und Geschichten, die von unterschiedlichen Standpunkten aus erzählt werden. So heißt es im Buch: „Bibliodiversität ist die Produktion von lokalem und marginalem Wissen außerhalb des Mainstreams. Die ProduzentInnen von Bibliodiversität leben an den Rändern der Gesellschaft: sozial, politisch und oft auch geografisch und linguistisch.“

Analog zum führenden Agrarkonzern Monsanto, der den Weltmarkt in seinem genmanipulierten Gemüse ertränkt, überschwemmen mächtige Verlage den kulturellen Markt seit Jahren mit Büchern, die in leicht abgeänderter Form alle dieselben Geschichten erzählen. Das aus feministischer und literarischer Sicht sehr fragwürdige „50 Shades of Grey“ und die darauf folgenden etlichen Nachahmer stellen hierfür das jüngste Beispiel dar. So werden keine originellen und risikofreudigen Bücher gefördert, diese seien aber für kommende Generationen gerade wichtig, da sie „etwas Neues und Relevantes zu sagen haben“, meint Hawthorne.

Stimmen jenseits des Mainstreams werden auf dem globalisierten Buchmarkt hingegen nur schwer vernommen. Um sie hörbar zu machen, tritt die Autorin für das Konzept der literarischen Vielfalt ein. Diese kann aber nur entstehen und Bestand haben, wenn neben den dominierenden Verlagshäusern auch kleinere und unabhängige Verlage existieren, die ihr Programm nicht ausschließlich von Verkaufszahlen und vermeintlichen Vorlieben der breiten Masse abhängig machen.

Solche Verlage haben es nicht leicht neben den „großen Gorillas“ Amazon, Apple und Co. Eine Chance, Bibliodiversität dennoch durch das Verlegen und Verbreiten kritischer und origineller Bücher zu sichern, sieht die Australierin auch in der Digitalisierung. Diese eröffne Indie-Verlagen durch Medien wie E-Books und Techniken des Selbstverlegens neue Möglichkeiten, ihr Potenzial abseits der analogen Welt zu entfalten.

Gleichzeitig profitieren aber auch große Konzerne von der Digitalisierung, indem sie ihre Einheitsprodukte noch schneller und effizienter verbreiten können. Die Welt des Publizierens befinde sich aktuell am Scheideweg, da durch die Digitalisierung die ohnehin schon lauten Stimmen zwar noch lauter, die leisen und marginalisierten Stimmen aber auch erst hörbar gemacht werden können.

Wie die Entwicklung in Zukunft verläuft, lässt sich laut Hawthorne nicht sagen. Sie hofft aber, „dass Bibliodiversität sich in diesen neuen digitalen Räumen ausbreitet“ und so eine langlebige und starke literarische Kultur geschaffen werden kann.


Die 1951 geborene australische Autorin, Verlegerin und Herausgeberin Susan Hawthorne gründete 1991 zusammen mit Renate Klein den feministischen Verlag „Spinifex Press“. Sie gilt als Expertin für feministisches und unabhängiges Verlegen, schreibt Gedichte und Sachbücher und unterrichtet Schreiben an der James Cook University in Townesville. „Bibliodiversität. Manifest für unabhängiges Publizieren“ ist im Frühjahr 2018 auf Deutsch im Verbrecher Verlag erschienen und noch immer äußerst lesenswert.

Text: Kristin Böschen Foto: Naomi Mc Kescher