Mitmachen: #MehrAlsMeinKörper
Seit über zwei Jahren legen sich die Macherinnen der „Stop Bild Sexism“-Kampagne immer wieder mit Deutschlands größter Tageszeitung an. Zum Frauen*tag 2017 findet nun bereits zum dritten Mal die Aktion #MehrAlsMeinKörper statt.
Wir leben im Jahr 2017 – eine Frau ist Bundeskanzlerin von Deutschland, eine andere ist Premierministerin von England und beinahe wäre Hillary Clinton die erste weibliche US-Präsidentin geworden. Es scheint als stünden Frauen* alle Türen offen. Müssen wir also wirklich noch erwähnen, dass sie mehr als ihre Körper sind?
Wir müssen! Denn die weibliche* Selbstbestimmung wird weltweit angegriffen. In diesem Jahr trat ein Mann das Amt des US-Präsidenten an, der offen zu gibt, Frauen sexuell zu belästigen und der sich wie selbstverständlich über den „tollen Körper“ seiner eigenen Tochter Ivanka auslässt. Donald Trump, der als erste Amtshandlung die finanzielle Unterstützung für Organisationen, die Beratungen zu Schwangerschaftsabbrüchen anbieten, streicht und sein weibliches Personal anweist, sich „wie Frauen“ zu kleiden. Gleich darauf schaffte er ein von Obama erlassenes Gesetz ab, das Transpersonen die Wahl der Toilette und Umkleidekabine freistellt – denn für Donald Trump sind Transpersonen eine Bedrohung. Zur gleichen Zeit äußert ein Republikaner, dass Frauen sowieso nur „Gefäße” für Babies seien, und spricht ihnen jegliche Selbstbestimmtheit ab.
Doch nicht nur die USA gehen für jeden Schritt vorwärts, zehn Schritte zurück. Weltweit werden Frauen*rechte von Männern* beschnitten und bedroht. In Russland, wo jedes Jahr 14.000 Frauen* an den Folgen von häuslicher Gewalt sterben, wurde häusliche Gewalt teilweise entkriminalisiert. In Polen konnte ein Gesetz zur pauschalen Illegalisierung von Abtreibungen gerade noch von den mutigen Frauen* und Männern* vom #czarnyprotest verhindert werden, während in Irland darum gekämpft wird dass Frauen* nach einer Abtreibung nicht 14 Jahre ins Gefängnis müssen.
Kampfschauplatz: Frauen*körper
Wir haben in Deutschland zwar eine Bundeskanzlerin, trotzdem ist auch hier nicht alles so rosig, wie es scheint. Mit der rechtspopulistischen AfD wird eine Partei immer einflussreicher, die sich um die „Fruchtbarkeitsraten“ der weiblichen* Bevölkerung sorgt, Abtreibungen am liebsten ganz verbieten will und die „Drei-Kind-Familie“ als Leitbild propagiert. Der männliche* Sexualtrieb ist wieder Wahlkampfthema und auch hier wird über den weiblichen* Körper verhandelt. Kürzlich beklagte sich der Berliner AfD Politiker Andreas Wild bei Twitter, dass bald alle attraktiven deutschen Frauen* von Migrant*innen besetzt seien, wenn das mit der Einwanderung so weitergehe. Frauen*rechte werden oft erst zum Thema, wenn sie sich gegen Andere instrumentalisieren lassen – denn natürlich geht es ihnen nicht um die Rechte von Frauen* oder Gleichberechtigung sondern eher um Menschenfeindlichkeit.
Sexualisierte Gewalt ist immer noch Alltag in Deutschland. 35 Prozent der Frauen* werden ab dem 15. Lebensjahr Opfer von sexualisierter oder körperlicher Gewalt und fast jede siebte Frau* in Deutschland wird vergewaltigt oder sexuell genötigt – bei Frauen* mit Migrationshintergrund oder geflüchteten Frauen* ist der Anteil noch höher. Bis vor einem Jahr war nicht einvernehmlicher Sex nicht strafbar, bis 1997 war Vergewaltigung in der Ehe straffrei und als Bonus kommt hinzu, dass Abtreibungen immer noch im Strafgesetzbuch stehen. Auch Unzufriedenheit und Unsicherheit mit dem eigenen Körper betreffen vor allem Mädchen*. Bereits mit sieben Jahren versuchen ca. 1/5 von ihnen abzunehmen und spüren den Druck, perfekt sein zu müssen. Der weibliche* Körper ist immer noch Austragungsort politischer Machtkämpfe und wird ständig und überall bewertet. Medien beeinflussen und formen unser Weltbild entscheidend mit und sind somit maßgeblich mitverantwortlich.
BILD dir deine nackten (weiblichen*) Tatsachen
All diese problematischen Entwicklungen finden ihre treuesten Unterstützer in Printmedien wie BILD. So berichtet die Tageszeitung über „Sex”-Attacken, wenn sie eigentlich Vergewaltigung meint oder nennt Fälle, in denen Frauen*, die von ihrem Partner aus Eifersucht oder verletztem Stolz getötet werden, „Familiendrama”. laut BKA stirbt jeden zweiten Tag in Deutschland eine Frau* an den Folgen von Gewalt. Auch die Art und Weise wie Frauen* in der BILD dargestellt werden, spricht Bände: Nur ein Drittel der abgebildeten Personen in der Bildzeitung sind Frauen* – außer im Unterhaltungsbereich. Hinzu kommt die höchst unausgeglichene Art der Darstellung – denn wenn eine Person nackt oder leicht bekleidet in der BILD zu sehen ist, ist sie zu ungefähr 80 Prozent eine Frau*. BILD trägt als eine der auflagenstärksten Zeitungen Europas besondere gesellschaftliche Verantwortung. Wenn täglich Frauen* wie selbstverständlich degradiert und objektiviert werden, dann überträgt sich diese Verachtung in unseren Alltag. Studien belegen zum einen den Zusammenhang zwischen medialer Objektifizierung und physischer Gewalt. Sexistische Fotos, Äußerungen und diskriminierende Sprache werden so zu Waffen die Gewalt produzieren. Zum anderen ist da das Problem der Repräsentation: „You can’t be what you can’t see“ – mit etwa zweieinhalb Jahren verstehen Kinder, welchem Geschlecht sie angehören und beginnen meist, sich der Norm entsprechend zu verhalten. Nach der BILD entspricht eine Frau* dieser Norm, wenn sie halbnackt, weiß, extrem schlank, namenlos und die Geliebte eines berühmten Mannes* ist.
Mehr als mein Körper
Überall spürt man, dass der diesjährige Frauen*kampftag wichtiger ist denn je. Der Women’s March, der weltweit Millionen von Menschen mobilisierte und inspirierte, brachte Hoffnung. Es fühlt sich an, als sei ein Knoten geplatzt. Menschen, die vorher noch nie demonstriert haben, gehen nun regelmäßig auf die Straße. In Deutschland gründete sich ein Feministisches Netzwerk, das innerhalb weniger Tage sehr viele und tolle Unterstützer*innen fand. Vielen wird wahrscheinlich bewusst, dass es wieder um die eigenen essentiellen Rechte geht – beispielsweise das Recht auf den eigenen Körper. Die nächste Generation soll in einer Gesellschaft aufwachsen, in der alle Geschlechter gleichermaßen geschätzt werden. Für ihr Können, ihre Taten und ihr Engagement – nicht für ihre Körper. Frauen* haben das Recht sich selbst zu definieren und nicht von Politiker*innen, Medien oder der Gesellschaft zum (Sex-) Objekt degradiert zu werden. Denn weibliche* Körper sind kein Kampfschauplatz für kaputte Machtverhältnisse, keine ständig zur Verfügung stehenden Objekte für die Bewertung, sexuelle Lust oder Machtgier anderer. Frauen* sind mehr als Brutkästen und mehr als ihre Körper.
Mit unserer Aktion #MehrAlsMeinKörper zum Frauen*kampftag am 8. März 2017 wollen wir mit euch ein Zeichen setzen: unser Körper gehört uns – immer und überall! Kämpft mit und schickt uns Fotos mit euren persönlichen Statements. Was zeichnet euch aus, warum seid ihr mehr als euer Körper? Das können ganz unterschiedliche Dinge sein: ein Hobby, oder etwas das ihr besonders gut könnt, euer Beruf, eure Familie, eure Erfolge. Kurzum: Schreibt auf, was euch ausmacht – zeigt uns die Vielfältigkeit von Frauen* – we can’t keep quiet!
Eure Fotos könnt ihr Stop Bild Sexism ganz einfach bei Facebook, Twitter und Mail schicken. Wer möchte, kann ihr Foto auch ganz einfach per WhatsApp bearbeiten und direkt an das Stop Bild Sexism-Phone unter 0175/9954254 weiterleiten. Wenn ihr dann noch “Channel“ dazu schreibt, kriegt ihr einmal in der Woche den heißesten Blog, Artikel oder Video zum Thema Feminismus vom Stop Bild Sexism-Team.
* Wenn von Frauen* oder Männern* gesprochen wird, beziehen wir uns auf alle Geschlechtsidentitäten.
Text: Britta Häfemeier, Lisa Purzitza
Mehr über die Stop Bild Sexism-Initiative findet ihr auch hier.