KAPITEL
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Wen nennst du hier Bitch?

In einer Welt, in der Frauen immer noch sexualisiert und offenkundig objektiviert werden, erhält schon die kleinste Abweichung von dieser Haltung zahlreiche Lobesbekundungen. „Show me somethin natural like ass with some stretch mark“ – Die Time, die Vogue und viele andere Medien feierten US-Rapper Kendrick Lamars neuen Track ‚Humble‘ als erfolgreichen Beitrag zur sogenannten Body Positivity von Frauen.

Rap ist eine Kunst, die einer Redefreiheit und vor allem einem Beat folgt. Dennoch prägt die männlich dominierte Hip-Hop Branche den Blick auf Frauen und der ist meistens alles andere als eine Aufwertung. Auch nicht, wenn Kendrick sich nach Dehnungsstreifen sehnt und mehr Natürlichkeit und weniger Photoshop fordert – es bleibt seine Erwartung an das Aussehen einer Frau, die sie für ihn zu erfüllen hat. Die Verschiebung von Schönheitsidealen für Frauen, macht sie nicht weniger zu Idealen und somit zum Frust für die, die sie nicht erfüllen können. Dieser ganze Kult sein „wahres Ich“ zu umarmen und seine Natürlichkeit zu betonen ist durchaus eine positive Entwicklung, sie bleibt aber verfehlt, wenn sie nicht von mir bestimmt ist. Es bleibt eben auch meine Errungenschaft, wenn ich mich mit dem Lockenstab, rotem Lippenstift oder Selbstbräuner auf der Haut wohler fühle. Was jedem Mann in den 2000er gefallen hätte, möchte  – mal ganz pauschal gesagt  – nun keiner mehr sehen. Dabei geht es darum, dass das Bild, wie du auszusehen hast, von dem patriarchalen Strukturen der Medien diktiert ist.

Was hier folgen soll ist kein politischer Vortrag, sondern eine Erinnerung an die Frauen der Hip-Hop Industrie, die dies erkannt haben und ihre Message an all diejenigen richten, die meinen, Frauen seien nichts anderes als „Hoes and tricks“.

     „For all you slutty ass ho’s“ – N.W.A.

Hip-Hop ist voller Energie. Hip-Hop ist nicht nur ein kulturelles Ding, Hip-Hop ist eine globale Angelegenheit. Er beeinflusst Kleidung, Sprache und Denken mehrerer Generationen. Eine Kultur, die bekannt ist für ihre sexistische und gewaltvolle Haltung. Hip-Hop ist ein Produkt Amerikas mangelnder sozialer Stabilität für schwarze Bürger. Inspiriert von Schmerz, ist Hip-Hop wie kaum ein anderes Genre, voll purer Emotionen aus den Erfahrungen fehlender Perspektiven, häuslicher Gewalt, Kriminalität und Drogenmissbrauch. Sexuelle Belästigung und die Objektivierung der Frau sind ein Nebenprodukt einer solchen Umwelt. Mit der Kommerzialisierung in den 1980er werden Djing, Breakdancing, Graffiti und Rap weltweit bekannt und geraten mehr und mehr in die Unterhaltungsbranche. Ökonomische Aspekte spielen zunehmend eine Rolle. Schnell wird klar, „Sex“ und „Gewalt“ steigern die Umsätze und werden als Eintrittskarte zum Erfolg gesehen. Da erscheint es schon wie ein Meilenstein, wenn Kendrick in seinem neuen Track „Humble“, von unretuschierten Hintern spricht und auf eine vermeintliche Body Positivity von Frauen anspielt.

„Ain’t no shame ladies, do your thang, just make sure you’re ahead of the game“– Missy Elliot.

Hip-Hop ist nicht nur ein Musikgenre, er ist eine Haltung. Eine Haltung, die auch Frauen in sich fühlen. Doch wie aktiv teilnehmen, an einer Kultur, die sie so vehement abzulehnen scheint? Sexismus, welcher bekannterweise nicht nur im Hip-Hop weit verbreitet ist, findet zum Glück auch immer wieder seine Gegner und vor allem Gegnerinnen. Frauen wie Queen Latifa, Missy Elliot und Lauryn Hill haben bereits in den 1990ern zurückgeschlagen und sich für die Wertschätzung und Stärke von Frauen in ihrer Musik stark gemacht.

„Who you calling a bitch?“ – Queen Latifah

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Hip-Hop Feminismus unterscheidet sich vom traditionellen Feminismus. Der auch sogenannte Third Wave Feminismus, bei dem nicht die weiße Mittelschicht-Frau um Gleichberechtigung kämpft, sondern bei dem es um die Missbilligung von Misogynie, Rassismus, Homophobie und die Stärkung sexueller Selbstbestimmung von hauptsächlich schwarzen Frauen geht.
Queen Latifah’s, eindringlicher Track, U.N.I.T.Y. ist Sisterhood pur und zeigt all den sexistischen Kollegen den Mittelfinger. Auch Missy Elliot predigte Selbstliebe, Stolz und Zusammenhalt. Mit Songs wie „Work it“, „We run this“ oder „Get ur freak on“ zeigt sie, dass jede Frau im Besitz über ihren Körper und ihren Erfolg ist und sich für Nichts zu schämen brauch. Lauryn Hill weist in ihrem Track „Do Wop (That Thing)“ darüber hinaus darauf hin, dass es nicht nur Männern schwer fällt Frauen zu würdigen, sondern dass Frauen untereinander Schwierigkeiten haben sich zu respektieren:

Babygirl, respect is just a minimum
Niggas f***ed up and you still defending them
Now Lauryn is only human
Don’t think I haven’t been through the same predicament
Let it sit inside your head like a million women in Philly, Penn.
It’s silly when girls sell their soul because it’s in

Es sind diese Rapperinnen, die den Weg für Nicky Minage, Iggy und Beyoncé ebneten. Und warum sie so wichtig sind, liegt an der Kraft die Musik auf unser soziales Leben hat und den unerlässlichen Einfluss auf gesellschaftlichen Diskurs und Wandel (ich denke an Sixto Rodriguez und die Anti-Apartheid’s Bewegung). Allerdings braucht dieser feministische Gegenappell kollektive Anstrengung, von nicht nur weiblichen Künstlerinnen. Als gutes Beispiel ging bereits Tupac vor 23 Jahren voran, der nicht nur wie Drake und Co. seine Mama in Ehren hält sondern alle Frauen:

And since we all came from a woman
Got our name from a woman and our game from a woman
I wonder why we take from our women
Why we rape our women, do we hate our women?
I think it’s time to kill for our women
Time to heal our women, be real to our women
And if we don’t we’ll have a race of babies
That will hate the ladies, that make the babies
And since a man can’t make one
He has no right to tell a woman when and where to create one
So will the real men get up
I know you’re fed up ladies, but you gotta keep your head up

Nicht viele Rapper sind gewillt die Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen anzusprechen. Es passt nicht zur Gangsta Rap Persona und entspricht nicht dem Wesen des Alpha-Mannes. Auch wenn Tupac kein reiner Vorzeige-Feminist war, erkannte er ihr häufiges Leid an und sprach sich für mehr Respekt gegenüber Frauen aus. Das schöne an Hip-Hop ist, dass jede*r durch ihn seine Gefühle zum Ausdruck bringen kann. Hip-Hop ist keine Einbahnstraße und je mehr Vielfalt und positive Messages in ihm zu Trage kommen, desto irrelevanter werden seine misogynistischen Inhalte.

Ich bin ein großer Fan von Kendrick Lamar und ich bin der Meinung, ich kann zu „Bitches Ain’t Shit“ von Dr. Dre tanzen, ohne meine Würde als Frau zu untergraben. Er ist mit Abstand einer der talentiertesten Rapper unserer Zeit, doch ich möchte hoffen, wenn es um Feminismus in der 3. Generation geht, wir weiter sind als gleich zu jubeln, wenn ein Rapper nur einem gewissen Hashtag-Feminismus in die Karten spielt.

Text: Miriam Galler Fotos: Tumblr