Ist das Feminismus oder kann das weg?
Die Zeitschrift Glamour hat Feminismus für sich entdeckt und Dior entwirft T-Shirts mit feministischen Slogans. Die feindliche Übernahme einer politischen Haltung oder eine neue Plattform, um frauenpolitische Themen für eine breitere Menge zugänglich zu machen?
Als ich vor einigen Wochen vor einer längeren Zugfahrt in einem Bahnhofsbuchladen hängen blieb, machte ich in der „Wie-kann-ich-in-zwei-Tagen-drei-Kilo-abnehmen-Zeitschriftenecke“ einen erstaunlichen Fund. Eigentlich schon mit klarem Blick nach vorn, auf die interessanteren Dinge zusteuernd, stieß ich auf die neue Glamour. Eine ganze Ausgabe, die puren Feminismus verspricht. Titel: „Girlsclub – Warum Feminismus cool ist, wer mitmacht (auch Männer!), wie man ihn trägt, wieso er nicht nervt“. An dieser Stelle drückte ich ein Auge zu – schließlich kann man die übliche Leserschaft der Glamour, die mit neuen Schmink-und Modetrends rechnet, nicht ad-hoc mit komplexen links-feministischen Theorien abschrecken. Feminismus muss cool und tragenswert sein – na gut, wenn feministische Grundideen bestehen bleiben. Ein kleiner Hoffnungsfunke keimte in mir auf: möglicherweise würde eine Hochglanzzeitschrift zum ersten Mal seit Menschengedenken von ihrem üblichen Schlankheitswahn absehen und ihr Sendungsbewusstsein sinnvoll einsetzen. Naiv gedacht und schnell eines Besseren belehrt: die feministische Glamour-Bühne wird zunächst Celebrity-Männern überlassen. Tom Hiddleston findet es unfair, dass Frauen sich für Film und Fernsehen ständig ausziehen müssen und macht es ihnen deswegen in Crimson Peak und High Rise gleich – ein solidarischer Akt also. Chris Hemsworth findet starke Frauen sexy und letztlich setzt sich Max Scharring, Journalist des SZ-Magazins, mit den egoistischen Motiven seines Feministendaseins auseinander: er mag es, wenn es in seiner Umgebung harmonischer zugeht und es besser riecht. Weiter geht es mit dem Glamour-Manifest. Eine sehr hochgegriffene Bezeichnung, für ein Wellness-Wohlfühl-Paket. In 13 Punkten wird erklärt, warum Feminismus angesagt ist und man dafür keine BH’s abfackeln muss. Immerhin bleiben Frauen wie Magarete Stokowski und Laurie Penny nicht unerwähnt, ein kleiner Trost. Die letzte Hälfte des Heftes instrumentalisiert feministischen Aktivismus für kostspielige Modetrends. T-Shirts mit Aufschriften wie „Live Your Female Spirit“ in Kombination mit Prada und Co., repräsentiert von einem 19-jährigen wohlproportionierten Model. Damit wir uns diesen Luxus auch leisten können, Feminismus also tragbar wird, werden letztlich neoliberale Disziplinierungstipps für das Arbeiten am eigenen Schreibtisch angeboten.
Mainstream-Feminismus: self-empowerment macht Trump möglich
Die feministische Autorin Jessa Crispin lokalisiert genau an dieser Stelle den Grund für den Wahlerfolg Donald Trumps. 53 Prozent der weißen, amerikanischen Frauen, darunter auch selbsterklärte Feministinnen, gaben wohlwissentlich ihre Stimme für einen Sexisten ab. Wo bei vielen Ratlosigkeit und Fragezeichen auftauchten, zieht Crispin einen deformierten Mainstream-Feminismus in die Verantwortung. Dieser habe den Kampfgeist radikal-feministischer Bewegungen gänzlich verloren. Unter dem Schlagwort self-empowerment würde seit den 80ern über geschlechter-und ethnizitätsspezifische Ungleichheiten hinweggetäuscht, der eigene Erfolg bemesse sich nur noch an Macht und Geld. Solidarische Ziele würden zweitklassig. Feminismus sei demnach zu einer leeren Worthülse verkommen: Feministisch zu sein hieße aktuell, sich einem ausbeuterischen System anzupassen, selbstregulierende neoliberale Werte hochzuhalten. Eine Führungsposition in der Wall-Street oder im Sillicon Walley zu erringen, werde zum feministischen Ziel erklärt. Die Unterstützung Trumps könne so als feministischer Akt begründet werden, indem frau ihren eigenen Interessen folge, selbstbestimmt sei und ihre eigenen Entscheidungen treffen könne. Diese Form des Feminismus, so Crispin, schließe den Großteil der amerikanischen Frauen aus. Nur eine kleine Elite profitiere von ihm. Erst wenn dieser kapitalistische Lifestyle-Individualismus, den sie als „pro-woman“ bezeichnet, als solcher benannt und von wahren feministischen Bewegungen differenziert werde, könne man sich wieder den wesentlichen Dingen widmen. So könne Personen wie Trump eine Absage erteilt werden. Erst dann wäre es, in der Tradition der ersten und zweiten Welle des Feminismus möglich, gegen patriarchale Problematiken wie Lohnungleichheit, sexuelle Belästigung und neoliberale Ausbeutung, vorzugehen. Wenn dies geschehe, könne ein inklusiver Resonanzraum geschaffen werden, der nicht allein die Bedürfnisse einer kleinen, weißen Minderheit reflektiere.
Dior Frühjahrs-/Sommerkollektion: „We Should All Be Feminists“
Auch die nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie spricht sich gegen elitär-feministische Räume aus. Diese beschrieben mit herablassender Selbstgerechtigkeit Armutsproblematiken, ohne mit betroffenen Personen in Kontakt zu stehen. In einem Interview im Guardian wehrt sie sich gegen Kritik, die sie sich durch eine Kooperation mit dem Modehaus Dior einheimste. So enthält die neue Frühjahrs-/Sommerkollektion T-Shirts mit dem Slogan „We Should All Be Feminists“, Titel eines feministischen Essays Adichies. Anders als Crispin sieht sie in einer solchen Allianz die Möglichkeit, feministische Inhalte auch für unterprivilegierte Teile der Bevölkerung attraktiv zu machen. Feminismus sollte zum Ziel haben, Mainstream zu werden und sei weit davon entfernt als rentable Marketingstrategie zu dienen. Viele Frauen, die sie aus ihrer unmittelbaren Umgebung kenne, seien mittellos und verfügten dennoch über ein ausgeprägtes modisches Interesse. Mit Modekollektionen könnten also auch diejenigen erreicht werden, die sich vormals nicht mit feministischem Gedankengut auseinandergesetzt hätten. Diese Ausführungen lesen sich äußerst zynisch, bedenkt man, dass besagtes T-Shirt satte 710 US-Dollar kostet und damit für den Großteil der (unter-)privilegierten Frauen nicht leistbar ist. Immerhin gingen, laut Bekanntgabe des Hauses Diors, Teile des Umsatzes in die von Rihanna gegründete Charity-Organisation „The Clara Lionel Foundation“.
Entpolitisierter Marktplatzfeminismus und feministische Marketingstrategien
Die Mitbegründerin der feministischen Organisation Bitch Media, Andie Zeisler, schreibt in ihrem 2016 erschienenen Werk „We Were Feminists Once“ eine von ihr als Marktplatzfeminismus benannte, zeitgenössische Erscheinung, die es Firmen mit dem Einsatz feministischer Phrasen möglich mache, den Ruf ihres Unternehmens zu stärken. So stellten sie sich mit einer pseudo-feministischen Marketingstrategie in ein besonders frauenfreundliches, reformorientiertes Licht, um Profite zu steigern und neue Konsument*innen zu gewinnen. Feminismus werde zu einem Etikett, was sich jede x-beliebige Firma oder in der Öffentlichkeit stehende Person auf die Fahne schreiben könne.
Modefeminismus – eine sinnvolle Entwicklung ?
Die Beziehung zwischen Feminismus und der Pop-/Modeszene ist ein heikles Thema. Die einen halten eine Aufpolierung des elitären Images feministischer Bewegungen durch popkulturelle Einflüsse für eine wunderbare Möglichkeit, ein breiteres Publikum für frauenpolitische Themen zu begeistern, die anderen befürchten den Verlust und die Vereinnahmung kernfeministischer Grundgedanken für marktorientierte Interessen. Beide Ansichten haben ihre Daseinsberechtigung. Wichtig erscheint mir letztlich nicht die Entscheidung für eine Seite, sondern vielmehr der reflektierte Umgang mit jedweden feministischen Beiträgen, Produkten und Personen. Es liegt in meiner Hand, ob ich mich für ein T-Shirt von Dior oder eine kleine nachhaltige DIY-Produktionskampagne entscheide, ob ich dieses als Modeaccessoire oder als exponierte politische Botschaft einsetze und ob ich Katy Perry ihre feministischen Choreographien abkaufe oder doch lieber Sookee höre. Die Entscheidung muss jede*r für sich treffen. Wichtig ist, sich zu informieren, einen Austausch stattfinden zu lassen und nicht mit manipulativen Marketingstrategien alleingelassen zu werden. Zweifel sollten geäußert werden und innovative Ideen müssen unterstützt werden. Nur so können reformorientierte Feminismen weiterbestehen und instrumentalisierende Blendungen als solche geoutet werden.
Text: Lena Spickermann
Foto: Pixabay