
Pride 2025: All Eyes on our Successes
Weltweit, aber auch hierzulande, müssen queere Menschen um ihre Rechte, Sicherheit und Anerkennung fürchten. Viele aktuelle Entwicklungen kosten Kraft – und lassen uns manchmal verzweifeln. Gerade jetzt ist es wichtig, sich daran zu erinnern, was wir als Community schon alles erkämpft haben. Seit dem ersten Christopher Street Day 1979 in Berlin hat sich vieles verändert. Aus Protesten ist eine starke Bewegung entstanden, aus Forderungen sind Rechte geworden.
Von der Abschaffung des Paragrafen 175 über deutschlandweite Dyke* Marches bis hin zum Selbstbestimmungsgesetz: Wir blicken zurück auf wichtige queere Errungenschaften – die uns Kraft geben für alles, was noch vor uns liegt.
1979: Der erste CSD in Deutschland
Inspiriert von den Stonewall-Aufständen in New York gehen am 30. Juni 1979 rund 400 Menschen in Berlin auf die Straße. Sie demonstrieren offen für die Rechte von Lesben, Schwulen und trans Personen.
1980er: Sichtbarkeit und Zusammenhalt
Die 1980er Jahre bringen große Herausforderungen: Die HIV/AIDS-Krise trifft die Community hart und kostet unzählige Leben. Gleichzeitig entstehen queere Initiativen, Lesbenarchive und Beratungsstellen. Solidarität, Aufklärung und Selbsthilfe werden zu überlebenswichtigen Werkzeugen.
1994: Abschaffung von §175
Nach mehr als 120 Jahren Diskriminierung fällt endlich der Paragraf 175, der queere Männer für ihre Liebe kriminalisierte. Ein großer historischer Moment. Bis zur Rehabilitierung und Entschädigung der Betroffenen sollte es jedoch noch Jahrzehnte dauern.
2001: Rechtliche Anerkennung
Mit der Einführung der Lebenspartnerschaft können gleichgeschlechtliche Paare ihre Beziehung erstmals offiziell eintragen lassen. Es ist noch nicht die Ehe, aber ein wichtiger Schritt hin zu rechtlicher und gesellschaftlicher Gleichstellung.
2013: Der erste Dyke* March in Deutschland
Als Ergänzung und Gegengewicht zu den oft kommerziellen, männlich dominierten CSD-Paraden organisierten queere FLINTA-Personen den Dyke* March, der 2013 erstmals in Deutschland – in Berlin – stattfand.
Seitdem hat sich der Dyke* March als eigene, politische Demoform etabliert und wird inzwischen jährlich in vielen Städten veranstaltet, darunter Hamburg, Köln, München, Frankfurt und Leipzig.
2017: Ehe für alle & Adoptionsrecht
Nach jahrzehntelangem Einsatz, politischen Debatten und unzähligen CSDs wird die Ehe für alle beschlossen. Ab jetzt dürfen gleichgeschlechtliche Paare heiraten und gemeinsam Kinder adoptieren – ein Meilenstein für Liebe und gleiche Rechte in Deutschland. Welche Hürden auf dem langen Weg zur Ehe für alle genommen werden mussten, ist bei der Bundeszentrale für politische Bildung hier nachzulesen.
Mit der Ehe für alle wurde auch das volle gemeinschaftliche Adoptionsrecht eingeführt. Zuvor war für gleichgeschlechtliche Paare im Rahmen einer Lebenspartnerschaft nur eine Stiefkindadoption möglich, die gemeinsame Adoption eines fremden Kindes war ausgeschlossen.
Trotz dieser Verbesserung gibt es nach wie vor praktische Hürden, z. B.:
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Diskriminierung bei der Vergabe von Adoptionsplätzen
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komplizierte Verfahren zur Anerkennung von Elternschaft bei lesbischen Paaren nach Geburt (hier braucht es oft noch eine Stiefkindadoption, falls kein rechtlicher Vater eingetragen ist)
2018: Anerkennung des dritten Geschlechts
Ein großer Fortschritt für die Rechte von trans, inter und nicht-binären Menschen wurde 2018 erzielt: Das dritte Geschlecht wird offiziell anerkannt. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird „divers“ als dritte Geschlechtsoption eingeführt. Seitdem können Menschen neben „männlich“ und „weiblich“ auch „divers“ oder keine Angabe eintragen lassen. Dieser Schritt war ein historisches Signal für die Anerkennung intergeschlechtlicher Menschen – auch wenn trans und nicht-binäre Personen zunächst weiter ausgeschlossen blieben.
2018/2020: Preise für lesbische Sichtbarkeit
Der Berliner Preis für lesbische* Sichtbarkeit wird seit 2018 alle zwei Jahre verliehen. Er wird von der Berliner Senatsverwaltung vergeben und zeichnet engagierte lesbische Personen oder Initiativen aus, die sich in Berlin für lesbische Sichtbarkeit einsetzen. Zwei Jahre später, 2020, führte auch Hessen einen Preis für lesbische Sichtbarkeit ein, der ebenfalls alle zwei Jahre vergeben wird.
Die bisherigen Preisträgerinnen in Berlin:
- Dr. Ilse Kokula, Pädagogin, Autorin und langjährige Aktivistin – als erste Preisträgerin ausgezeichnet.
- Katharina Oguntoye, afrikanisch-deutsche Historikerin, Autorin und eine zentrale Stimme der afro-deutschen sowie lesbischen Bewegung.
- Saideh Saadat‑Lendle, Gründerin und Leiterin von LesMigraS, für ihr herausragendes Engagement gegen Mehrfachdiskriminierung.
- Deborah Moses Sanks, Fotografin, Model und Dokumentaristin – ausgezeichnet für ihre Arbeit zur Sichtbarkeit Schwarzer und lesbischer Frauen in Deutschland.
Die bisherigen Preisträgerinnen in Hessen:
- Veronica King (Kassel), Erika “Ricky” Wild (Frankfurt)
- Saideh Saadat‑Lendle (LesMigraS)
- Nicole Peinz (SCHLAU Frankfurt)
2021: Erste trans Abgeordnete im Bundestag
Mit Tessa Ganserer und Nyke Slawik (beide Bündnis 90/Die Grünen) ziehen 2021 erstmals trans Abgeordnete in den Deutschen Bundestag ein. Sichtbarkeit wird politisch – und inspiriert viele Menschen, sich selbstbewusst zu zeigen.
2023: Zustimmung für queere Rechte erreicht Höchstwerte
84 Prozent der Deutschen stimmen 2023 der Aussage zu, dass queere Menschen die gleichen Rechte haben sollten wie alle anderen – ein Anstieg gegenüber 79 Prozent im Jahr 2019. 2006 lag die Zustimmung gerade einmal bei 62 Prozent. (Quelle: AGIS–Discrimination Survey)
2024: Das Selbstbestimmungsgesetz tritt in Kraft
Im April 2024 beschließt der Bundestag das neue Gesetz, das am 1. November 2024 in Kraft tritt. Seit August 2024 können Anträge gestellt werden – mit einer dreimonatigen Vorlaufzeit. Damit wird das veraltete Transsexuellengesetz vollständig ersetzt und trans, inter und nicht-binären Menschen die Änderung des amtlichen Namens und Geschlechtseintrags deutlich erleichtert.
2025: Die queere Community wird immer größer
In Deutschland liegt der Anteil derjenigen, die sich selbst als lesbisch, schwul, bisexuell, trans, nicht-binär, pansexuell oder asexuell beschreiben, aktuell bei 12 Prozent. Damit liegt die Bundesrepublik inzwischen deutlich über dem globalen Durchschnitt von 9 Prozent.(Quelle: Ipsos)
28. Juni 2025: Eine Meldung macht uns heute besonders glücklich: Trotz des Verbots durch Ungarns Präsident Viktor Orbán haben heute 200.000 Menschen – manche Medien berichten sogar von 400.000 – am CSD in Budapest teilgenommen. Damit wurde aus der verbotenen Pride Parade die größte in der Geschichte des Landes. Community wins!
Ausblick
Trotz aller Erfolge bleibt viel zu tun: Schutz vor Gewalt, rechtliche Gleichstellung in allen Lebensbereichen und echte gesellschaftliche Akzeptanz sind noch keine Selbstverständlichkeit. Aber jeder dieser Meilensteine zeigt, wie viel wir gemeinsam erreichen können.
Pride bedeutet, sich zu erinnern – an Kämpfe, an Solidarität und an all das, was wir schon verändert haben. Und es bedeutet, weiterzumachen. Für alle, die noch nicht sicher und frei leben können.
Was du über den Pride Monat und die CSDs hinaus tun kannst, um die queere Community zu unterstützen, erfährst du hier: Ready to riot?