KAPITEL
Low

Von Mädchen und Mäusen

Du bist, was du sprichst!? Warum es für das Women’s Empowerment hinderlich ist, uns und andere Frauen als Girls zu bezeichnen.

Prosecco mit den Mädels. Girlgang-Shirts im Fitnessstudio und Flohmarktbummeln zusammen mit den Mäusen, weil sie ja alle so zuckersüß sind. Klischees beiseite. Wir machen unsere Jobs. Wir engagieren uns. Sind politisch aktiv. Wir haben Freunde, Freundinnen, Kinder, Familie. Wir wollen Gleichberechtigung.
Die gleich hohen Gehälter. Anerkennung. Wir wollen ernst genommen werden. Erwachsen sein. Vielleicht auch etwas bewegen. Ohne Frage – der Hashtag #girlpower hat Feminismus wieder ein bisschen sexier gemacht, diskursiv vorangetrieben. Er hat Frauen berührt, die sich vorher vielleicht weniger Gedanken über ihre Weiblichkeit und ihre Stellung in der Gesellschaft gemacht haben. Das ist gut, das ist wichtig! Girlpower ist angekommen. Im Mainstream. Grund genug, um das Girl-Getue in
Frage zu stellen. Ist es richtig, eine erwachsene, selbstbewusste Frau als Girl zu bezeichnen? Und was macht das mit uns?

Girl = Mädchen. „Wenn ich an ein Mädchen denke, dann sehe ich auch ein Mädchen“, sagt Kaja Otto, die sich selbst als Seelen-Seismograph bezeichnet und aktiv andere Frauen als Coach und Mentorin in ihrer Entwicklung begleitet.
Sie nennt keine einzige Frau in ihrem Netzwerk Girl. Warum? Weil sie keinen Grund darin sieht, Dinge zu sagen, die so nicht gemeint sind, und weil sie weiß, dass wir mit unseren Worten unsere Realität formen. Wir leben in einer Welt der Sprache. Sie ist der Rahmen für unsere innere Wirklichkeit, sie definiert uns und unser Gegenüber. Guy Deutscher beispielsweise, ein israelischer Sprachwissenschaftler, hat in der Studie „Im Spiegel der Sprache“ die Macht der Worte und die Auswirkung auf unsere Realität untersucht. Unter anderem in folgendem Szenario: Probanden unterschiedlicher
Sprachen wurden gebeten, Objekte mit charakteristischen Eigenschaften zu beschreiben. Die deutschen Probanden beschrieben die Brücke als eher elegant und schlank, spanische hingegen als stark und kräftig (el puente, männlicher Artikel). Völlig willkürlich ausgewählte Genera, die unser Empfinden und dementsprechend unsere reale Ansicht beeinflussen. Das grammatikalische Geschlecht hat eigentlich keine Bedeutung – trotzdem verändert es unsere Realität.

Oh Girls! They just wanna have fun. Das sang bereits Cyndi Lauper. Ein Song über Pyjamapartys, Leichtigkeit und ein bisschen Spaß. Vielleicht fasziniert uns diese Lebenseinstellung auch so sehr. Unbefangen im Moment sein, ohne viel Verantwortung. „Indem ich mich oder andere als Mädchen bezeichne, entziehe ich uns die Macht, eine Frau zu sein“, weiß Kaja Otto. Eine starke Frau, die sich dem Leben stellt, Verantwortung trägt. Für das, was sie tut, und das, wofür sie einsteht. Mädchen machen sich nicht so viele Gedanken. Aber das müssen sie auch nicht.

Mädchen sind neugierig und intuitiv, frei von gesellschaftlichen Normen „Wir alle sind Girls – aber es ist nur ein Teil von uns. Ein wilder, wacher Teil, auf den wir achtgeben. Ich glaube an mein inneres Mädchen, aber ich weiß, dass ich eine Frau bin.“ Und genau, wie Kaja Otto es sagt, so könnten wir es doch auch mit uns und anderen Frauen handhaben. Für mehr #womenpower und weniger Mädels.

Kaja Otto ist die Initiatorin der Shevolution, Seelen-Seismographin und Wahrheits-Wiederbringerin. Als Status-quo-Shakerin hilft sie Frauen dabei,
ihre Wahrheit zu finden, ihr Leben und ihr Business danach auszurichten.

Text: Lara Keuthen Foto: XULI fotografiert von Roman Dachsel