KAPITEL
Subi Vielfalt

„Wenn Frauen anfangen, die Fesseln der Stereotype abzulegen …

… und begreifen, dass der tiefe Wunsch, die schönste und schmalste Prinzessin sein zu wollen, ein gigantischer sexistischer Werbetrick auf Stöckelschuhen ist, kommen ganz sicher alle anderen wunderbaren Eigenschaften zum Tragen. Plus der Gabe der Empathiefähigkeit.“

Mit klaren Standpunkten hat die Regisseurin Isabell Šuba von „Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“ keine Probleme. Gut gelaunt erscheint sie zu unserem Gespräch und beweist, dass einem auch bei ernsten Themen, wie die ungleiche Verteilung von Fördergeldern in der Filmbranche, die gesetzlich geregelte Frauenquote und die doppelte Diskriminierung von lesbischen Frauen, das Lachen nicht vergehen muss.

Es war gar nicht so einfach einen Termin mit dir zu finden. Woran arbeitest du momentan?
Vor allem an meinem neuen Spielfilm. Daneben bin ich in so genannte gesellschaftlich relevante Unternehmungen und Projekte verwickelt. Außerdem habe ich mit meiner Arbeitspartnerin, Monika Kowolik, die Schauspielagentur „Agenten & Komplizen“ gegründet – die Betreuung der Nachwuchstalente bringt viel Spaß, fordert aber auch viel Aufmerksamkeit und Zeit.

Dein erster Langspielfilm „Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“ hat mächtig für Furore gesorgt. Hast du das Gefühl, einen überfälligen Prozess in Gang gesetzt zu haben?
Der Film ist wider Erwarten in ein zeitgeistliches Thema eingeschlagen, was mich mehr als freut, denn ich wünsche mir, dass die Gleichstellungsbedingungen in kapitalistischer oder kommerzieller Hinsicht in Zukunft für Frauen geöffnet und Gelder gleich verteilt werden.

Inwiefern hat der Film dein Leben verändert?
Mein Leben verändert sich die ganze Zeit, jeder Tag ist neu, weil ich mich aus Bequemlichkeit nicht aufhalte oder Konflikten aus dem Weg gehe. Der Film hat mich vor die grässliche Fratze der Stereotypen unserer Gesellschaft gesetzt. Dahinein zu blicken, wie tief verankert Ideen von Männer- und Frauenrollen sind, hat meine Wahrnehmung brachial verändert.

Zusammen mit anderen Kolleginnen engagierst du dich in der Initiative „Pro Quote Regie“. Wer seid ihr und was genau ist euer Anliegen?
Ich bin mit meinem Film „wie selbstverständlich“ in die Bewegung reingerutscht und war sicher auch Teil der medialen Vorbereitung. Ich kämpfe für die gleiche Aufgabe, für die Gleichstellung von Regisseurinnen im Filmbetrieb. Wer einen Pfennig übrig hat und andere Filme sehen will, der spende!

Tragen Filme eine weibliche bzw. männliche Handschrift je nachdem ob eine Frau oder ein Mann Regie geführt hat? Wenn ja, wie zeichnet sich diese aus?
Das werden wir sehen, wenn es so weit ist. Wenn ungefähr gleich viele Filme von Männern und Frauen gemacht werden aus allen Genres und vor allem mit allen Budgets, wenn also auch Frauen mit großen finanziellen Möglichkeiten arbeiten können. Ob sich dann in der Normalität des Machens so etwas noch Abzeichnen lässt – ich denke nicht. Film ist individuell und hat niemals ein Geschlecht, darum macht es keinen Sinn, dass nur Männer Geld bekommen.

Glaubst du, dass Regisseurinnen etwas anderes aus Geschichten und Schauspielern rausholen als Regisseure?
Selbe Sache. Jeder Regiemensch hat einen eigenen Stil. Und diese verschiedenen Herangehensweisen und Interpretationen der Welt würde ich gerne alle sehen – Hautfarben, Kulturen, Regionen und Ideen von Zeitgeist der Welt – nicht nur immer die gleiche, weiße heterosexuelle Heldenreise.

Woher kommt deiner Meinung nach die Männerdominanz in der Film- bzw. Regiebranche? Verfügen Männer über Eigenschaften oder Skills, die Frauen fehlen – aber hilfreich sind für den Job?
Das ist doch alles Gewäsch. Das Frauen Power haben und einen Willen, weil sie einfach Menschen sind,
mit Fähigkeiten und Eigenschaften, ist Fakt. Frauen wurden über Jahrhunderte aus Bereichen ausgeschlossen, in denen genau diese Fähigkeiten entwickelt werden. Sie haben mehr oder weniger seit den 70ern die Möglichkeit, sich scheiden zu lassen und sich aus der finanziellen Abhängigkeit zu lösen, weil sie selbstbestimmt arbeiten dürfen. Was ist das für ein System, in dem die eine Hälfte der Weltbevölkerung abhängig gemacht wird und zu vielen Ressourcen keinen Zugang erhält? Die Frage ist also eher, wie lange soll diese Realität noch missachtet werden?

Die Diskussion um eine verbindliche Frauenquote in Unternehmen schlägt immer wieder hohe Wellen und wird auch unter Frauen kontrovers diskutiert. Warum denkst du ist eine Frauenquote nötig und sind die aktuellen Beschlüsse ausreichend?
Immer wenn ein Gesetz zur Liberalisierung verabschiedet wurde, haben sicher die am lautesten lamentiert, die zu den Privilegierten des Systems gehörten. Aber zur Befreiung der Sklaven sagt doch auch heute keiner mehr, dass es ein Fehler war. Was damals sicher anders war und viele Menschen dachten, das sei der Untergang. War es aber nicht. Und wird genauso wenig eine Quote sein. Es ist einfach ein Instrument, das Gleichberechtigung voraussetzt. Sobald sich diese normalisiert, wird unsere Gesellschaft authentisch und wahrhaftiger.

Wir leben immer noch in einer von Männern dominierten Welt – in allen Bereichen. Warum ist das so und ist es schlimm, dass es so ist? Haben Frauen vielleicht einfach keine große Lust auf Macht und Karrierestress?
Ich finde das für die Männer, die Lust auf gleichberechtigte, starke Beziehungspartner haben sehr schlimm. Nicht nur ihre Partnerin kann sich nicht ebenbürtig selbstverwirklichen, auch ihre Mütter und Töchter. Frauen sollten auf den gleichen Positionen wie Männer ihre Fähigkeiten einsetzen lernen, wenn sie Karriere machen wollen. Nur durch Praxis und Training werden diese Fähigkeiten wie Muskeln auf- und ausgebaut. Wenn Frauen sich tatsächlich gleichberechtigt ausleben können und in ihren biologischen Brüchen gesellschaftlich unterstützt werden, wird die Frage, was Männer und was Frauen besser oder schlechter können, immer weniger relevant und neue Fragen und Chancen auf neue Wege für alle öffnen sich.

Wann hast du angefangen, dich für Feminismus bzw. feministische Themen zu interessieren? Was treibt dich diesbezüglich am meisten an?
Die Wahrheit. Und diese ist: Männer und Frauen, sowie alle Menschen sind gleichberechtigt. Jeder Mensch, der etwas anderes behauptet, hat noch nie die Fährte vom echten Leben und seiner unberechenbaren Wildnis gewittert und bekommen.

Wie steht es insgesamt mit dem Feminismus – siehst du einen Rückwärtstrend oder bist du zufrieden mit den Entwicklungen?
Keine Ahnung. Das ist alles nicht wichtig. Prognosen sind in dem Fall nicht wichtig. Wichtig ist, dass etwas passiert, so lange bis die Normalität der Auswirkungen uns vergessen lässt, dass etwas passieren muss. So weit sind wir noch nicht.

Die Hauptfigur deines Films „Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“ verkörpert dich selbst und thematisiert auch deine eigene Homosexualität. Wird das Thema auch zukünftig in deinen Filmen eine Rolle spielen? Wie empfindest du die gesellschaftliche Entwicklung in Bezug auf Homosexualität?
Die Figur Isabell ist nicht „Ich“. Sie ist eine Überhöhung aus vielen neurotischen Eigenschaften von Regiemenschen, die ich kenne und sie streift dabei auch meine eigenen Ängste und meinen zum Teil vermeintlich hilflosen Umgang damit. Homosexualität wird sicher immer wieder eine Rolle in meinen Filmen spielen, sowie andere Sexualitäten auch. Sexualität ist doch ein wichtiger Teil von Identität. Die verlangt nach Aufklärung, Empathiefähigkeit und der Aufgabe, Tabus zu brechen. Weil Menschen einfach Wesen sind, die mehr in sich beherbergen, als zwei stupide Geschlechterrollen, die von der katholischen Kirche und Konsortien aufoktroyiert wurden und leider immer noch einen viel zu hohen Stellenwert bei vielen Menschen einnehmen.

Glaubst du, dass lesbische Frauen doppelt diskriminiert werden – durch ihr Geschlecht und ihre sexuelle Orientierung?
Ja. Und doppelt sexualisiert.

Auch unter Homosexuellen kann man beobachten, dass Schwule viel stärker in der Öffentlichkeit auftreten und sich für ihre Belange einsetzen, während lesbische Frauen weiterhin im Hintergrund bleiben und scheinbar immer noch Schwierigkeiten haben, ein starkes Netzwerk zu bilden. Woran liegt
das deiner Meinung nach? 
Wenn Frauen anfangen, die Fesseln der Stereotype abzulegen und begreifen, dass der tiefe Wunsch, die
schönste und schmalste Prinzessin sein zu wollen, ein gigantischer sexistischer Werbetrick auf Stöckelschuhen ist, kommen ganz sicher alle anderen Eigenschaften zum Tragen, die alle Frauen genau wie Männer haben. PLUS der wunderbaren Gabe der Empathiefähigkeit.

Welche Entwicklungen wünscht du dir für die Frauenwelt innerhalb unserer
Ich wünsche mir, dass sich jeder Mensch nach seinem Talent ausleben kann, ohne immer extra viele Mauern einreißen zu müssen, nur weil bestimmte Menschen noch nicht kapiert haben, dass kein Mensch mehr wert ist als der andere. Die Geschichte des weißen Mannes ist unter anderem eine der Unterdrückung, von anderen Hautfarben, Religionen, Ländern, Frauen, Kindern, Tieren generell die Ressourcen der Erde. Ich will dass sich das ändert.

 

Isabell Šuba
lebt und arbeitet in Berlin. Für Aufsehen sorgte die Regisseurin und Drehbuchautorin mit ihrem Langspielfilmdebut „Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“, das bereits auf internationalen Festivals und letztes Jahr in den deutschsprachigen Kinos lief und kürzlich auf DVD erschienen ist. In einer Art Guerilla-Aktion ist der Film während der Filmfestspiele in Cannes entstanden. Momentan arbeitet die Berlinerin an ihrem neuen Spielfilm „Liebe im freien Fall“. Weitere Informationen zu Isabell Šuba und ihrer Arbeit unter www.isabellsuba.comwww.maenner-zeigen-filme-und-frauen-ihre-brueste.de und www.proquote-regie.de.

 

INTERVIEW Juliane Rump FOTO Nadja Klier