Kinderwunsch? Erfülle ich mir selbst!
Wir gründen Unternehmen, wir erklimmen Chefetagen, wir befreien uns von patriarchalischen Modellen wie der Ehe. Kurz: Wir leben immer autarker. Auch wenn die Selbstbestimmtheit von Frauen nicht im gewünschten Tempo vorangeht – sie geht voran. Und erobert den nächsten Bereich: Für viele Frauen ist es nicht mehr tabu, sich auch ohne Partner*in für ein Kind zu entscheiden. Die guten Neuigkeiten: Eine Neuregulierung des Abstammungsrechts, die 2018 in Kraft getreten ist, macht es Single-Frauen deutlich einfacher, die Nachwuchsplanung alleine anzugehen.
„Familie ist auch nicht mehr, was sie einmal war. Und das ist auch gut so“, schrieb der Autor Jochen König in der LIBERTINE-Ausgabe #Zukunft. Das Mutter-Vater-Kind-Modell ist längst nur noch eines von vielen. Es gibt immer mehr Patchwork- und Regenbogenfamilien, queere Familien, Co-Eltern, Drei- und Vier-Eltern-Familien und jeweils noch die unterschiedlichsten Variationen innerhalb der verschiedenen Kategorien. Die dabei am stärksten wachsende Konstellation ist die der alleinerziehenden Mutter mit Kind. Eine Tatsache, die von der Politik häufig missachtet wird: Deren Unterstützung geht meistens an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbei. So werden Alleinerziehende nach wie vor steuerlich benachteiligt – obwohl sie bereits heute 20 % aller Familien in Deutschland ausmachen.
Keine Frage des Beziehungsstatus
Die Illusion, dass Beziehungen ewig halten, schwindet mehr und mehr dem gesunden Realismus, dass Zeiten, in denen man in einer Partnerschaft ist, sich mit (längeren) Singlephasen abwechseln. Da stellt sich bei vielen die Frage, ob man das Thema Nachwuchs nicht gleich unabhängig von einer Partnerschaft angehen könnte. Eine durchaus legitime Überlegung, die nicht nur dann berechtigt sein sollte, wenn die Jahre vergehen und der oder die Richtige auch mit Anfang 40 noch nicht gefunden wurde.
Bei manchen resultiert die Entscheidung schlicht aus dem Wunsch heraus, sich im Falle einer Trennung nicht mit dem Ex-Partner oder der Ex-Partnerin über das Sorgerecht streiten zu müssen. Bei anderen ist sie Resultat persönlicher Schicksalsschläge, wie beispielsweise einer Erkrankung, die der Betroffenen keine andere Wahl lässt, als eine „Kind – jetzt oder nie“-Entscheidung zu treffen.
Einige Fälle in meinem Freundeskreis haben mir die Augen geöffnet, wie stark ein Kinderwunsch sein kann und wie wenig dieser damit zu tun haben muss, ob man gerade in einer Beziehung steckt oder nicht. Bisher hat es die Gesetzeslage Single-Frauen jedoch äußerst schwer gemacht, Nachwuchspläne alleine umzusetzen. Denn nachdem der Bundesgerichtshof festlegte, dass einem Kind, das über eine Samenspende gezeugt wurde, in jedem Fall die Auskunft über den biologischen Vater zusteht, sind Ärzte, Samenbanken und Spender vorsichtig geworden. Denn der – natürlich äußerst sinnvolle – Beschluss hatte eine Crux: Ist der Spender bekannt, hat das Kind die Möglichkeit, ihn auf Unterhalt zu verklagen. Können der Arzt oder die Klinik keine Auskunft über den Spender geben, sind auch sie auf Schadensersatz verklagbar. Die Regelung hatte zur Folge, dass es bisher lediglich verheirateten bzw. verpartnerten heterosexuellen oder lesbischen Paaren möglich war, den Weg über eine deutsche Samenbank zu gehen. Alleinstehende Frauen hingegen konnten aus Sorge vor Klagen die Dienste der deutschen Samenbanken nicht nutzen.
Neuregulierung des Abstammungsrechts
Dieser Umstand wird durch die Neuregulierung des Abstammungsrechts, die bereits beschlossen und 2018 in Kraft getreten ist, aufgelöst. Denn die Änderung des § 1600d des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) schützt Samenspender vor Sorge-, Unterhalts- und Erbansprüchen, indem es die Feststellung der rechtlichen Vaterschaft ausschließt. Juristisch liest sich das dann folgendermaßen:
- 1600d Absatz 3 BGB: „(4) Ist das Kind durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung im Sinne von § 1a Nummer 9 des Transplantationsgesetzes unter heterologer Verwendung von Samen gezeugt worden, der vom Spender einer Entnahmeeinrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes zur Verfügung gestellt wurde, so kann der Samenspender nicht als Vater dieses Kindes festgestellt werden.“
Das Gesetz reguliert also, dass der Spender nicht als rechtlicher Vater in Anspruch genommen werden kann, sodass er von Sorge-, Unterhalts- und Erbansprüchen freigestellt ist. Gleichzeitig haben Kinder ein Anrecht darauf, die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme zu ihrem Spender zu erhalten. Ein Punkt, der vielen Kindern – aber auch Müttern – wichtig ist und der bei ausländischen Samenbanken, auf die Singlefrauen bisher zurückgreifen mussten, selten garantiert war. „Wir freuen uns sehr, dass die Neuregulierung des Abstammungsrechts Kindern und Spendern nun mehr Sicherheit gibt und uns nichts mehr im Wege steht, auch alleinstehende Frauen bei der Nachwuchsplanung zu unterstützen“, erklärt die Laborleiterin der Berliner Samenbank Ann-Kathrin Hosenfeld. Die größte Samenbank des Landes, die jährlich – bei durchschnittlich 400 Samenbereitstellungen – rund 80 Paaren zum Wunschkind verhilft, öffnet nun auch für Singlefrauen ihre Türen.
Vielleicht wird die Neuregelung noch mehr alleinstehende Frauen ermutigen, den Kinderwunsch in Angriff zu nehmen. Reisen ins Ausland zu Beratungsgesprächen und den Behandlungen sowie Bestellungen über das Internet fallen nun genauso weg wie der Versand des Spermas über die Landesgrenzen.
Ich jedenfalls würde mich freuen, wenn sich Frauen durch die neue Möglichkeit ermutigt fühlen – denn ein Wunschkind sollte keine Frage der Partnerschaft sein. Und auch die Politik wird nicht mehr lange davor die Augen verschließen können, dass Familie dort ist, wo ein Kind ist.
Text: Juliane Rump Foto: privat