KAPITEL
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Die weiblichsten Seiten der Gay-Metropole

Um den Charakter von SAN FRANCISCO zu verstehen, muss man einen Blick auf die Geschichte der Stadt werfen: als 1848 das Gold gefunden wurde, startete eine der größten Völkerwanderung der Menschheitsgeschichte. Innerhalb eines Jahrzehnts wuchs die Stadt von einem 500- Seelen-Dorf zu einer Metropole mit über 50 000 Einwohnern heran. Bis heute reist der Zulauf nicht ab: Internethelden, Kreative und Spirituelle, Homo- und Transsexuelle kommen nach San Francisco, um hier das auszuleben, was in anderen Teilen Amerikas auf Ablehnung stößt. Die Region um San Francisco, die sogenannte Bay Area, war immer schon ein Ort der Extremen: sie hat die größen Erdbeben von 1906 und 1989 uberstanden, war 1945 Gründungsort der Vereinten Nationen und Geburtsort der Hippies.

If you’re going to San Francisco, be sure you have an open mind: San Francisco ist zweifelsfrei der liberalste Ort Amerikas. Nahezu jede Art zu leben wird hier toleriert. Dadurch wurde „San Fran“ ein Sammelbecken für Lebenskünstler, Homosexuelle und eigentlich jeden, der im eher konservativen Amerika auf Intoleranz stößt.

Nackte Demonstranten auf Fahrrädern, alte Hippies in Blumenkleidern, verrückte Stadtbewohner mit bunt besprayten Hunden oder Papageien auf dem Kopf und ganz Ausgeflippte, die samt einem Lampenschirm auf dem Kopf mitten auf der Straßenkreuzung stehen und unverständliches Zeug schreien – In San Francisco, der wohl unamerikanischsten Stadt Amerikas, ist das vielerorts Realität. Für die diversesten Überzeugungen und Lebensweisen gibt es eine große Toleranz und alle Kulturen leben ganz friedlich auf 120 Quadratkilometern miteinander. San Francisco hat eine faszinierende Mischung an unterschiedlichen Kulturen, aber keine hat das Gesicht der Stadt so geprägt, wie die schwul-lesbische Gemeinde der Stadt, die inzwischen fast 20 % der Stadtbevölkerung ausmacht. „Gay Bay Frisco“ hat mit etwa 100.000 von etwa 800.000 Einwohnern die höchste Quote von allen großen Städten Amerikas, und wahrscheinlich der ganzen Welt. Der Bezirk Castro war das erste und ist bis heute das größte  und bekannteste Schwulen- und Lesbenviertel in den USA. Für erzkonservative Amerikaner und die religiöse Rechte muss der Castro District wahrscheinlich so etwas wie Hölle auf Erden sein: An fast jedem Gebäude hängt eine Regenbogenfahne, in den Cafés sitzen Männer eng umschlungen, oder flanieren Arm in Arm durch die Straßen oder über die Zebrastreifen – und selbst die sind im Castro District nicht weiß gestreift, sondern in Regenbogen-Farben! Und wenn man durch „The Castro“ spaziert, kann es schon mal passieren, dass einem wie mir ein Nudist nur mit einer Socke über’m Penis entgegen stolziert: Nackt sein ist hier per Gesetz erlaubt, solange das Gemächt bedeckt ist. „The Castro“ ist super schwul und „The Castro“ ist sehr männlich geprägt. Als Frau ist man hier zwar eindeutig in der Minderheit, das heißt aber nicht, dass San Fransisco keine schillernde Frauenszene zu bieten hat.

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Die lesbische Community ist seit den 1970er Jahren im Mission District zu Hause, rund um die Valencia Avenue, ein ehemals buntes Arbeiter-Viertel, mit vielen mexikanischen Einwanderern, Obdachlosen und schrägen Vögeln. Aber genau dieses Viertel erlebt zurzeit eine extreme Gentrifikation, aufgrund des IT Booms in Silicon Valley. Die jungen Facebook- und Google-Mitarbeiter haben keine Lust in den öden Vororten wie Mountain View oder Palo Alto zu wohnen, wo ihre Arbeitgeber sitzen. Sie  ziehen in die hippen Gegenden von San Francisco und so erfährt u.a. der Mission District den krassesten Wandel seit Jahrzehnten: Die Mieten sind hier teurer als in Manhattan, New York City, und kleine Läden müssen aufgrund von Mietsteigerung, Luxusrestaurants und hippen Bars weichen. Und so wird auch die alternative Szene, darunter Lesben, Immigranten und Künstler verdrängt. Prominentestes Opfer dieser Super-Gentrifizierung ist der Lexington Club, die einzige und letzte lesbische Bar in San Francisco. Ende April wird der Club seine Pforten schließen. Die Eck-Kneipe an der 19. Straße hat mit einem Billard-Tisch in der Mitte einen derben Sport-Bar-Charakter, aber irgendwie auch etwas Gemütliches: Die weinroten Wände sind mit zahlreichen Fotos geschmückt und erzählen viele Geschichten aus vergangenen Zeiten. Aus den Boxen dröhnt TLC und Salt’n’Pepa. Seit 1996 existiert die Bar, am 30. April ist Schluss. Barkeeperin Chloe ist hier um die Ecke aufgewachsen und quasi mit der Lexington Bar groß geworden, für sie war es eine Art Wohnzimmer. „Seit drei Jahren haben sie uns kontinuierlich die Miete erhöht“, erzählt mir die 27jährige, „irgendwann konnten wir die Miete nicht mehr berappen.“ Sie verzieht den Mund und zuckt mit den Schultern. Die Stimmung in der Bar ist dementsprechend gedrückt. Ein paar junge lesbische Kanadierinnen, die in San Fran zu Besuch sind, nippen gelangweilt an ihren Bieren. „Wir haben von dem Club gehört und wollten noch ein letztes Mal hier vorbeikommen“, sagt Kodie Koch, die ein bisschen aussieht wie Justin Bieber. „Aber ganz ehrlich, hier ist voll tote Hose“. Die Mädels verabschieden sich und ziehen weiter. Aber auch wenn die lesbische Szene zunehmend aus der Mission verdrängt wird, sucht sie sich neue Orte in San Francisco: Südlich vom Mission District, in den Bernal Heights zum Beispiel wächst eine neue, junge lesbische Community. Das Viertel mit seinen bunten viktorianischen Häusern ist etwas ruhiger und unaufgeregter als der Mission District, dafür sind die Mieten hier noch bezahlbar. Zum Feiern verteilt sich die lesbische Szene in der ganzen Stadt: Es gibt in San Francisco kaum noch ausschließlich lesbische Clubs, aber dafür eine ganze Menge an regelmäßigen Parties, die legendär sind. Und der offene Charakter der Bay City spiegelt sich auch im Nachtleben wider: Heteros, Homos, Transsexuelle, Straight und Queer People teilen sich die Dancefloors der Stadt. Nirgendwo sonst habe ich so ein durchmischtes Party-Volk erlebt. Anything goes: In San Francisco geht alles.

AUSGEHEN IN SAN FRANCISO

Some things you need to know, honey: In den USA gibt es in den meisten Städten eine Sperrstunde. In San  Francisco bedeutet das um 1 Uhr 30: Licht an, kein Alkoholausschank mehr und um 2 Uhr good bye! Die meisten Clubs machen um 2 Uhr dicht. Was für feierwütige german girls langweilig klingen mag, ist aber halb so schlimm: Man fängt hier einfach früher mit dem Party machen an. An den Wochenenden geht’s gerne auch schon mal ab 18 Uhr los oder auch schon am Nachmittag. Wichtig auch: Bitte immer den Ausweis parat halten – der wird stringent an jeder Bar-Tür kontrolliert, weil Alkoholausschank an unter 21jährige verboten ist.

EL RIO

El Rio, das sich selbst als ‚Ihr Abtauchen‘ beschreibt, ist ein Mikrokosmos in San Francisco, mitten im Mission District. Direkt an der lauten Mission Street gelegen, ist die Bar eine der schönsten und wildesten Refugien der Stadt. Von außen wirkt das El Rio eher unspektakulär, aber wenn man an der langen Theke und den Billard Tischen vorbei in den Garten geht, taucht man in einen mystisches urbanes Wonderland ein: Ein wunderschöner, grüner Innenhof mit vielen Holzbänken, einer kleinen Bühne, vielen Palmen und einem riesigen Zitronenbaum in der Mitte, der sich über die Tanzfläche wölbt. Das El Rio öffnete 1978 als schwule Salsa Bar und war zu Begin ein Treffpunkt nur für Männer. Doch die Lage im bunten Mission District und die durchmischte Nachbarschaft führte dazu, dass hier irgendwann jeder ein und aus ging. Und so wandelte sich das El Rio im Laufe der Zeit immer mehr in eine mixed space for everyone. Als die lesbische Dawn Huston den Laden Mitte der 90er Jahre übernahm, war ihr Traum, die Kneipe in einen Treffpunkt für die Leute aus der Nachbarschaft umzuwandeln, egal ob straight oder gay – und in einen Ort, wo sich Frauen und Transgender wohl fühlen. Die Bar bezeichnet sich selbst als Nachbarschafts-und community Bar und will offen sein für jeden, der offenen Herzens über die Türschwelle kommt. Das Credo: „Be kind, be fabulous, be generous, be lovely and be loved!” Unter der Woche und je nach Jahreszeit finden verschiedene Events statt, aber ein Highlight ist die Partyreihe Mango. „Sweet sexy fun for women“ lautet das Motto und das El Rio öffnet die Türen für lesbische Frauen und ihre Freunde. Die DJs servieren Hip Hop, Dancehall, Latin Grooves und die Caterer ein unwiderstehlich leckeres Barbecue. Die Drinks sind gut und günstig – das El Rio ist vor allem berühmt für seine Margaritas! Der Mix aus vielen verschiedenen Menschen macht den positiven Vibe vom El Rio aus: Ein bunter Mischmasch aus Lesben, Schwulen, Heteros, verrückten Künstlern und Locals aus der Nachbarschaft. Und irgendwie fühlt es sich an, als würde man mit seiner ganzen Familie eine Gartenparty feiern, auch wenn man die Leute noch nicht kennt. Aber das ist nur eine Frage der Zeit. Auf der Tanzfläche turteln Tiana und Ana unter dem großen Zitronenbaum. Die beiden haben sich erst vor ein paar Wochen hier im El Rio kennengelernt. Tiana, 23 ist ein roughes San Fran Girl, geboren und aufgewachsen im Mission District, als das Viertel noch nicht als ‚hip’ galt. Sie trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift ‚“You can’t sit with us!“ aber das darf man nicht wörtlich nehmen, denn die gebürtige Kalifornierin hat eine warme, freundliche Aura. Ana, 30 stammt aus einer konservativen, Familie aus Arizona, war vor ein paar Wochen zu Besuch in San Fran, verirrte sich einen Abend im El Rio, und verlor auf der Tanzfläsche ihren Ausweis. Tiana fand ihren Ausweis per Zufall – und „das war ein magischer Moment, als wir uns gegenüberstanden“, so Ana. Für sie ist es die erste lesbische Beziehung, sagt die hübsche Latina mit den dunkelbraunen Locken. „Ich habe nie gedacht, dass ich mich mal in eine Frau verlieben könnte, but she’s the one!“ erzählt sie mir an der  Bar und ihre Augen leuchten. Und Tiana lacht breit und sagt: „I’m gonna marry that woman!“ Dann muss ich mit den beiden Tequillas trinken. Tiana erzählt mir, dass sie fast jedes Wochenende hier ist, v.a. wenn die Mango Party stattfindet, laut Tiana die beste lesbische Party der Stadt. „If you don‘t have fun here, you obviously suck at life!” sagt Tiana und verschwindet mit Ana wieder auf die Tanzfläche unter den Zitronenbaum. Die beiden sind das beste Beispiel dafür, dass im El Rio alles passieren kann und dass dies der beste Ort ist für Leute, die mit offenem Herzen dieses kleine Refugium betreten. El Rio ist ein Must! Mein absoluter Lieblingsort in ganz San Francisco! Das El Rio wurde 2014 von lokalen Stadtmagazinen zur „Best Lesbian Bar“ und die Party-Reihe Mango zur „Best Womens Party“ gekürt. Achja, und den Preis als hundefreundlichste Bar hat das El Rio auch bekommen. In dieser Bar ist also wirklich jeder willkommen.

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EL RIO, 3158 Mission Street, San Francisco, CA 94110

www.elriosf.com

RICKSHAW STOP

Ein ehemaliges Fernsehstudio in einer 1000 qm großen Fabrik-Halle, hohe Decken, riesige Vorhänge und Vintage Rikschas – das ist das Rickshaw Stop, ein Club im Zentrum von San Francisco. Hier gibt es wöchentliche Ping Pong Parties mit Tischtennis – ein Berlin Aufenthalt hat die Besitzer dazu inspiriert – Nerd Nites mit Lesungen und Diskussionen und Punk & Indie-Karaoke Nights. Und außerdem die Partyreihe „Cockblock“ – eine Queer Dance Party für “Dykes, Lezzies, Trannies, Homos & Friends.” Lokale female DJs legen 90ies Music, Hip Hop, Dancepop, Soul & 80ies auf und das Motto des Abends ist: “Wir lieben Musik, wir lieben’s queer und wir wollen, dass Du tanzt, bis es Dir die Socken auszieht!”

RICKSHAW STOP, 155 Fell Street, San Francisco, CA 94102

www.rickshawstop.com

THE CAFÉ

Eine Institution im Castro District, dem schwulen Viertel von San Francisco. Früher war das Café eine ladies- only location, aber mittlerweile ist es eine all-inclusive Danceteria. Montags gibt’s immer Drag Mondays – eine Art Table Dance, ohne dass die Ladies sich nackig machen. Drag Queens aus aller Welt performen zu ihrer Lieblingsmusik und sammeln Dollars vom Publikum ein, während sexy Barkeeperinnen im 60ies Outfit durch die Menge stolzieren und jeden Willigen mit einem Shot und Sprühsahne füttern. Aus den Boxen dröhnt mal Biggie, mal Britney Spears – hier werden die Top 40ies rauf und runter gespielt und es fühlt sich ein bisschen an wie eine bunte Spring Break-Party, zumal sich zwischen die Drag Queens und schwulen Castro-Boys auch ein paar College-Kids mischen. Während zwei davon wie wild mit einer der Drag Queens auf der Bühne twerken und ihre Unterleiber aneinander reiben, komme ich mit Jota ins Gespräch. Die 26jährige aus Brooklyn, die sich selbst als queer bezeichnet, lacht mich an und sagt: „Crazy folks, hu?“ Die Szene in San Francisco gefällt ihr ganz gut: „Hier ist alles etwas offener, in San Fran gibt es weniger Schubladen, in die Du gesteckt wirst. Du bist einfach Du. Und auch das Clubleben ist sehr durchmischt – man feiert mehr miteinander, als dass man sich in Grüppchen abschottet.“ Berühmt ist die schwul-lesbische Partyreihe „Sugar“ jeden ersten, zweiten und dritten Samstag im Monat.

THE CAFE, 2369 Market St, San Francisco, CA 9414

www.cafesf.com

BEATBOX

Im Herzen vom South Market District – oder kurz SoMa – liegt die Beatbox in einem ehemaligen Loft-Lagerhaus mit 10 Meter hohen Decken, einem riesigen Dancefloor, Kicker-Tisch und gemütlichen Sofa-Ecken. Live-Musik, Konzerte und Burlesque Shows sind in der Beat Box zu Hause, und die Party-Reihe UHAUL – A PARTY FOR  GIRLS WHO LOVE GIRLS AND FRIENDS. Die DJS legen Electro, Mashup, und House auf.

BEATBOX, 314 11th Street, San Francisco, CA 94103

www.beatboxsf.com

NECK OF THE WOODS

Musikclub im Inner Richmond District von San Francisco. Seit 1973 haben hier über 10 000 Bands performt, darunter Otis Redding, Etta James, Run DMC und Metallica. Seit letztem Sommer beherbergt die Location auch die lesbische Party-Reihe THE COTTON PONY PARTY. Hier trifft sich vor allem die junge Lesben-Szene zwischen 20-30.

NECK OF THE WOODS, 406 Clement Street, San Francisco, CA 94118

www.neckofthewoodssf.com

BEAUX

Schwulen-Club im berühmten Castro District. Jeden Mittwoch findet hier die PUSSY PARTY statt, die Wednesdays Ladies Night, der Eintritt ist frei. Djane Ms. Jackson legt Top 40 Music, Hip Hop & Dancehall auf, es gibt Special live FEMALE performances, GoGo Girls – und die ausschließlich weiblichen Barkeeperinnen servieren Dir in der Happy Hour zwei Drinks zum Preis von einem.

BEAUX, 2344 Market Street, San Francisco, CA 94114

www.beauxsf.com

TEXT Hanna Ender FOTOS Eva Napp